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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Allgemeine« schrieb dazu: »Hier finden die
     neuen Modefarben noch nicht so viel Anklang, da, unter anderem, die über Jahre hinweg geschmacksbildenden Anregungen der Frauenzeitschriften
     fehlten. Lieber hält man sich hier an die Tradition und hängt silberne Kugeln in den Baum, rote und goldene.«)
    Weiter mit Michael Krebs. Was den Lohn beträfe: In den meisten bayrischen Glasfabriken gäbe es überhaupt keine Tarife, lediglich
     Akkord, er dagegen hätte hier sogar einen eigenen Haustarif. Natürlich ohne Gewerkschaften, aber mit dem Betriebsrat abgesprochen.
     Nein, Gewerkschaften und Klassenkampf, das sei jetzt in der Aufbruchphase nicht nötig. »Wir sitzen doch alle in dieser neuen
     Halle im gleichen Boot.«
    Ich möchte gern den neuen, mit 8 Millionen DM gebauten Betrieb sehen. Doch Michael Krebs sagt, dass er eigentlich niemand
     reinschauen lassen wolle. Also reden wir weiter über Michael Krebs, den Wessi-Unternehmer im Osten. 37 Jahre alt. Seit 1992
     in Lauscha. Damals zwei Kinder. Inzwischen drei und ein Haus in Lauscha. Vier Kinder sollen es werden. »Bei dreien ist eins
     immer ein Einzelgänger.« Er hätte auch drei Geschwister, ein Bruder würde inzwischen das Rosenheimer Unternehmen leiten, der
     andere den Krebs-Christbaumschmuckbetrieb in den USA.
    Tage später, beim zweiten Anlauf, führt er mich doch durch die neue Halle. Ein geräumiger heller Flachbau. Weder Maschinen
     noch Arbeiter noch Verpackungskartons müssen sich drängeln. Zuerst sehe ich einen an die 20 Meter langen, mit einer Weihnachtsmarkt-Landschaft
     bemalten Stoff an der Wand. Der würde die Fenster verdunkeln, denn die Glasbläser störe das Licht. Hätte man zuvor beim Bau
     nicht bedacht, es wären eben richtige Künstler, die hiesigen Glasbläser. Auch Frauen sitzen vor den fauchenden Gaslampen und
     formen die Kugeln mit ihrem Blasebalg Lunge. Ohne aufzuschauen. Sie würden noch nach Akkord arbeiten. Und der Stundenlohn?
     Ziel sei es, so der Jungunternehmer, dass jeder über 10 DM brutto in der Stunde verdiene. Fast so viel wie in Rosenheim die
     Arbeiter an den Glasautomaten … Er geht mit mir in die Mitte der Halle. Dort hängt eine Tafel mit der neuen Versuchslohnform.
     Grundlohn und dazu wird die Übererfüllung an die Arbeiter unterschiedlich verteilt. Arbeitsmenge, Sorgfalt, Güte, Aktivitäten
     werden von »Anforderungen nicht erfüllt« bis »Anforderungen in der Regel übertroffen« mit Punkten bewertet. Je mehr Punkte,
     umso mehr Geld.
    Das Eintauchen der Kugeln in die Farbe geschieht automatisch. Gute Entlüftung. Auch bei den Malerinnen kaum Farbgeruch. Alles
     junge Frauen.
    Michael Krebs lässt mich allein, damit ich die Frauen befragen kann. Porzellanmalerinnen aus den bekannten, fast auf null
     gefahrenen weltbekannten Thüringer Porzellanfabriken sind dabei. Ja, sie wären dem Chef dankbar, dass er fast 200 Leuten Brot
     und Arbeit gegeben habe. Porzellanmaler und Glasbläser haben sonst keineChance. Jana Richter ist über 20. Kinder? Nein, Kinder könne sie sich jetzt nicht leisten. »Von den rund 1.200 DM Lohn kann
     ich nicht schon fast 200 für den Kindergarten bezahlen!«
    Wieder unterm mustergeschmückten Tannenbaum, sagt Michael Krebs, dass er inzwischen seine Meinung über die Ostler geändert
     hätte. »Die Leute hier sind fleißig, zäh und willensstark.« Ich sage ihm, dass er die Mitverantwortung für die hier 400 Jahre
     alte Glasbläsertradition übernommen hat. »Diese Region hat immer nur vom Glas gelebt.«
    Ja, aber er wäre kein neuer Wohltäter. Zwei plus zwei sei immer noch vier. »Und wenn es ökonomisch nötig sein sollte, 100
     Leute zu entlassen, um die Firma zu erhalten, werde ich eben 100 entlassen! Tradition ist was Moralisches, und Glas ist was
     Materielles.«
    Auf dem Rückweg schaue ich noch einmal bei Walter Hähnlein rein. Er ist mit seiner Frau allein. Auf dem Gaskocher steht ein
     alter Waschkessel mit heißem Wasser. Aus einem an der Wand hängenden Plastekanister füllt er mit einer Pipette Silbernitrat
     in die durchsichtigen Kugeln. Seine Frau gibt ein Reaktionsmittel dazu, schüttelt die Kugeln im Waschkessel, bis sie silbern
     spiegeln.
    Gummihandschuhe. Schmutz und Dämpfe. Er will mir wieder die Innenseite der glänzenden Weihnachtskugeln zeigen, aber immer
     noch sind keine Scherben da. Es klingelt. Eine Frau kommt mit einem großem Korb duftender Weihnachtsplätzchen. »Eine Nachbarin.
     Sie weiß, dass wir nie Zeit haben, Weihnachtsplätzchen zu

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