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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Männer, holen
     ihre Videokameras aus der Umhängetasche.
    Ich stelle mich abseits. Entdecke die »Hüttenkasse«. Man kann Glasscherben rausnehmen und Geld hineinlegen. Später frage ich
     die Männer am Glasofen, was sie verdienen. Knapp 13 DM brutto in der Stunde, das wären um die 1.400 monatlich auf die Hand.
     Einer brubbelt: »Am liebsten würde uns der Chef aus Hongkong für ’ne Schale Reis arbeiten lassen.«
    Ein Bus mit Touristen ist angekommen. Ältere Herrschaften. Sie drängeln sich um die Glasarbeiter. »Schön warm hamses.« Der
     mit dem Pferdeschwanz stöhnt: »Es fehlt nur noch, dass die uns wie die Affen im Zoo mit Bananen füttern.« Ich frage ihn, ob
     sie vor 1990 auch schon zur Besichtigung freigegeben waren. »Nee, da haben wir nur gearbeitet. Da konnten wir vom Glas, das
     wir gut verkauften, noch leben. Heute können wir und das Glas, so sagen es die Chefs, nur noch von den Touristen leben.«
    Den neuen Chef, den Handelsunternehmer für Kleinelektronik aus Hongkong, kann ich nicht sprechen. Der sei zur Zeit in Asien,
     sagt ein Angestellter in einem grauen Dederonkittel. Man munkele, dass er dort billige Glaswaren aufkaufe und in Lauscha vertreiben
     wolle. Neu sei das nicht, ein Geschäft nebenan würde auch schon Billigglas aus Böhmen und Polen verkaufen. Und kein Kunde
     ahne, dass es nicht aus Lauscha stamme. Der Bürgermeister möchte deshalb im Stadtrat ein Schutzgesetz beschließen lassen.
     Danach dürfte in Lauscha nur in Lauscha hergestelltes Glas verkauft werden.
    Und sollte einer doch Billigprodukte anbieten, dann müsste er verpflichtet werden, die Ware als ausländische zu kennzeichnen.
     »Aber wo wir doch jetzt die freie Marktwirtschaft haben, glaube ich nicht, dass solch ein Gesetz rechtens ist.« Und wieder
     wird ein Bus Touristen entladen.
    Am übernächsten Tag, zwei Wochen vor dem Weihnachtsfest, hat Walter Hähnlein doch noch »fünf Minuten« Zeit für mich. Lässt
     mich ein in das kleine Haus. Oben Wohnung, unten Werkstatt und Lager. Die Treppenund Flure sind mit Unmengen von Kartons verstellt, und auch in der Werkstatt ist Walter Hähnlein hinter den Kartonstapeln
     kaum zu sehen. An einer langen aufgebockten Tischplatte sitzen zwei Frauen und bemalen große, auf Nägel gesteckte Christbaumkugeln.
     Die schwarzhaarige zierliche malt sehr naturalistisch Tannen, Schnee, Berge und Häuschen auf blaue Kugeln. Die blonde gewichtigere
     zaubert mit Nitrofarben eisähnliche glänzende rosa und violette Strukturen. Nach wenigen Minuten schmerzt mir der Kopf vom
     Gestank der Farben.
    Walter Hähnlein hat den Brenner, fachmännisch Lampe genannt, angezündet. Zischend und fauchend flammt er auf. In dem gelb-blauen
     Drachenfeuer erhitzt der Bärtige ein winziges bauchiges Glasstück und bläst es sekundenschnell zu einer hauchzarten, gleichmäßig
     gerundeten durchsichtigen Kugel. Ohne Pause die nächste. Und die übernächste. Seine Augen sind rot vom Feuer. Nun müssten
     die Kugeln nur noch innen verspiegelt, in Farbe getaucht, bemalt, der Spieß abgetrennt, die Hakenhütchen aufgesetzt und verpackt
     werden. »Und verkauft!«, ergänzt lachend die Zierliche. Sie spricht kein Lauschaer Platt. Sie stammt aus Ungarn. Ist 1971
     mit Hunderten ungarischen Mädchen in die DDR gekommen. »Weil die damals zu viel Arbeit, aber nicht genug Arbeitskräfte hatten.«
     Der Glasbläser lacht laut und hämisch. 15 Jahre lang hatte Magdalena im Röhrenwerk Neuhaus zuerst Transistoren und danach
     Mikrochips hergestellt. Zwischendurch den Hähnlein geheiratet. Der 42 Jahre alte Hähnlein ist in der fünften oder sechsten
     Familiengeneration Glasbläser. Hat von 68 bis 69 gelernt.»Danach bin ich aber 15 Jahre lang nach Steinach in die Leuchtperlenfabrik an die Pressmaschine. Habe dort in drei Schichten
     gearbeitet und viel mehr verdient als ein Glasbläser.« 1987 hätten er und seine Frau Magdalena hier in ihrer Werkstatt als
     Heimarbeiter mit der Glasbläserei angefangen. »Ich hatte seit 15 Jahren keine Glaspfeife mehr im Maul und Magdalena noch niemals
     Glas bemalt. Aber inzwischen …« Er zeigt mir, wie er im Feuer eine Glocke formt.
    »Das Glas lebt nur Sekunden. In der Zeit kann man es formen, es ist etwas Lebendiges, das Glas.« Er schlägt die Glasglocke
     an. Sie tönt hell und zart. In seinem Musterzimmer stehen silberne Vögel mit venezianischem Staub auf dem Gefieder, pausbäckige
     Weihnachtsmänner, Eiszapfen, vergoldete Nüsse … Das meiste davon hat er erst

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