Urlaub fuer rote Engel
Deutscher aus der Zeit vor 1945 wohnen. »Aber heute, wo hier fast alles
wieder deitsch wird, ist es gut, wenn man ä bissl deitsch spricht.«
Ein junger, sehr beleibter Pecer Polizist, der sich auch wärmen will, widerspricht und flucht auf Tschechisch über die Němci.
Drei deutsche Touristen aus Pec mussten sie in diesem Jahr schon zur Grenze bringen und ausweisen. Hätten Taxifahrer und Polizisten
verprügelt. Und die deutschen Autofahrer würden hier rasen, als ob sie die Herren eines gesetzlosen Gebietes wären. Einhundert
tschechische Verkehrstote im letzten Jahr seien die Opfer von Ausländern, hauptsächlich Deutschen, gewesen.
»Volem-Němec – Ochse-Deutscher. Trotzdem ist’s gut«, grient der Holzgeschnitzte, »wenn du heit Deitsch sprichst – kriegst
eher Trinkgeld.«
Vladimír Novotný, der Chef vom »Weißen Schwan«, spricht Deutsch mit österreichischem Akzent. Sein Großvater, ein gebürtiger
Hofbauer, habe bei Budweis gesiedelt, aber die Baude gehöre ihm nicht, er arbeite seit fast 20 Jahren nur als Verwalter hier
oben. Eigentümer der Bergbauden seien die Staatsbetriebe gewesen. Deshalb hießen Bauden heute noch »Turbina«, »Lokomotiva«und »Energetika«. Er zeigt mir die »Kronika«, die Chronik »seiner« Baude, die früher zum Prager Betrieb »Projekta« gehörte.
In dem zerfledderten Buch haben sich DDR-Kinder aus Ferienlagern mit kleinen Verschen verewigt. Ansonsten bis 1989 fast nur
tschechoslowakische Gäste. Danach keine Ferienlager mehr, auch kaum noch Tschechen und Slowaken. Dafür Deutsche. Einzeln und
in Gruppen. Punks aus Westberlin. (»Als ich die sah, dachte ich: Herrgott hilf! Und er hat geholfen, sie waren friedlich.«)
In der Kronika verewigten sie sich: »Die Schwarz-ROT-Front wünscht allen einen angenehmen Aufenthalt. Außer der rechtsbraunen
Masse – denen viele Stürze und gebrochene Beine …«
Und dann wären Neonazis aus Ostberlin hier gewesen, die hätten das Radio aus dem Fenster geschmissen. »Nein, nichts eingetragen
in Kronika.« Aber am anderen Tag finde ich zwischen den Seiten ein herausgerissenes Blatt: »Gebt den Deutschen, was den Deutschen
gehört: Schlesien, Pommern und das Riesengebirge! Und nehmt ihnen weg, was nicht zu Deutschland gehört: Kommunisten und Ausländer.«
Vor dem Krieg, erzählt Vladimír, habe die Baude, wie fast alle Häuser im Ort, einem Deutschen gehört, einem gewissen Schräfel.
Dessen Sohn Christian aus Burg sei vor vier Jahren hier gewesen. »Aber die Regierung hat ein Gesetz erlassen: Nichts darf
jetzt an Ausländer verkauft werden. Es hieß, um unser Eigentum vor den Deutschen zu schützen, aber der wahre Grund … Also
sehen Sie, den ›Weißen Schwan‹ haben 1990 zwei ehemalige kommunistische Betriebsleiter von ›Projekta‹ privatfür 2,6 Millionen gekauft. Und nun für 5 Millionen an einen ehemaligen Genossen Baudirektor verscherbelt … Und der könnte,
wenn das Gesetz geändert wird – und es wird geändert, denn nur Ausländer haben das Geld, um die kaputten Häuser und Fabriken
zu renovieren –, der kann dann die Baude für 7 Millionen an die Deutschen verkaufen.«
Am nächsten Morgen stiefele ich hinunter ins Tal. Trotz Nebel auf den Bergen Hochbetrieb in der Skiausleihstation von Petr
Kos. Funken sprühen beim Schleifen der Kanten. Ich frage den mit vorgebundener Lederschürze einem Schmied ähnelnden Skiverleiher,
weshalb so wenige tschechische Touristen nach Pec kommen.
»Der Tagesverdienst eines Schlossers reicht bei den auf die Deutschen ausgerichteten Preisen in Pec gerade für zwei Bier und
eine Liftkarte. Bist ein Tscheche und hast kein Geld, um in deiner Heimat Urlaub zu machen.« Und er flucht auf Deutsch: »Scheiße
kommt nicht über Berge, aber über Menschen!«
Ein Deutscher erwidert, dass die Tunesier auch nicht am Golf von Tunis Urlaub machen könnten, genauso wenig wie er als Hausmeister
vom ehemaligen Interhotel in Rostock das Geld hätte, in solch einem Hotel in Dresden oder Oberhof zu logieren. Da würden jetzt
die Westdeutschen wohnen. »Und ich leiste mir Tschechien!«
»Und die Tschechen?«
»Die sollten vielleicht nach Russland … oder Tschetschenien.«
Gelächter.
Auf dem Weg zum Bürgermeister der Stadt stehen zwei Dutzend deutsche und tschechische Autos in der engen Talstraße im Halteverbot.
An fünf – nur ostdeutschen – blockieren Polizeikrallen die Räder.
Der Bürgermeister Magister Jiří Ratajík sitzt mit den
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