Urmel taucht ins Meer
daß er sich die Nase schneuzen mußte. Dann
schluckte er die erste Tablette. Er entledigte sich seiner Kleider und
schlüpfte in den Schlaf rock. Mit den Pantoffeln in der Hand schlich er sich
auf Zehenspitzen an Wutz vorbei. Am Strand warf er Pantoffeln und Schlafrock
ab. Die Nacht war sternklar, und sein Körper schimmerte bleich.
Furchtlos ging er ins Wasser.
Es plätscherte. Schon war nur noch sein Kopf zu sehen — und dann befand er sich
in einer fremden Welt. Über ihm glänzte und glitzerte es, das war das Mondlicht
auf dem Meer. Er sah seltsame schwarze Schattengestalten an sich vorbeiziehen —
und er vermeinte zu
fliegen. Er schwamm hinab und hinauf, ganz leicht, ganz schwerelos — was für ein
berauschendes Erlebnis! Ja, er begann leise vor sich hin zu summen.
Hier muß gleich ein
weitverbreiteter Irrtum berichtigt werden. Im Meer herrscht keinesfalls
andächtige Stille. Sogar die Fische haben eine Art Sprache. Sie geben
sonderbare Pfeif-, Grunz- und Stöhnlaute von sich. Sie knirschen mit den Zähnen
oder setzen bestimmte Organe — beispielsweise die Schwimmblase — in
Schwingungen. Es soll sogar Walarten geben, die sich über viele Kilometer
hinweg miteinander verständigen können, denn Wasser überträgt Schallschwingungen mit großer
Kraft über das lebende Gewebe des Kopfes auf das Innenohr. Wohl zwei Stunden
blieb der Professor unter Wasser. Jedes Zeitgefühl ging ihm verloren. Aber er
spürte dann, daß die Wirkung der Tablette nachließ. Ein fühlbarer Druck legte
sich auf seine Lunge. Deshalb beschloß er aufzutauchen.
Es war nicht weit von
Seele-Fants Riff.
Der dicke Geselle schlief sehr
unruhig, seitdem er die seltsamen Wesen gesehen hatte. Wie ein Kloß ruhte er
auf dem Stein und blinzelte von Zeit zu Zeit übers Meer. Und nun sah er
plötzlich eine schneeweiße Gestalt...
«Aha!» röhrte er. «Jötzt habö
öch doch! Halt, du Sööungöheuörmöörösgöspönst! Profössor, Profössor! Schnöll!
Schnöll!»
«Hier bin ich ja schon!» rief
der Professor.
«Du böst das?» Seele-Fant
staunte. «Seut wann badöst du nachts? Und seut wann kannst du so langö untör
Wassör schwömmön?»
Das war eben das große Wunder.
Leider war Wutz durch
Seele-Fants Geschrei geweckt worden. Von bösen Ahnungen erfüllt, stürzte sie
ins Arbeitszimmer. Die Kerze brannte noch! Und als sie das Testament des
Professors mühsam entziffert hatte, begann sie so laut zu schluchzen, daß auch
das Urmel erwachte. Wutz umarmte es und rief: «Mein Armes! Öff! Nun bist du ein
Waisenkind. Und ich bin dein Vormund!»
«Au weh!» seufzte das Urmel.
«Was für’n Mund is’n das?» Wutz antwortete nicht. Sie trabte ans Meer. Das
Urmel hinter ihr her. Ping Pinguin und Wawa erwachten und krochen aus den
Muscheln.
Tief verzweifelt betrachteten
sie des Professors Pantoffeln und seinen Schlafrock.
«Das hätte er uns nicht antun
dürfen, öff!» Wutz weinte.
«Soll ich ihn suchen?» fragte
das Urmel. Aber ehe es sich ins Wasser stürzte, hörten sie den Professor plötzlich laut mit
Seele-Fant Duett singen. So vergnügt war er.
Da rief Ping Pinguin: «Wartet,
ich komme! Wir singen zu dritt!»
«Unerhört!» brummte Wutz.
Aber das Urmel freute sich.
«Jetzt können wir zusammen Unterwasserausflüge machen!»
Seele-Fant wird noch trauriger
Der Professor setzte nun seinen
Sprachunterricht mit der Krabbe fort und richtete sich auf eine lange, ruhige
Zeit des Arbeitens ein.
Es galt, die Tauchtabletten zu
vervollkommnen und einen kleinen Vorrat von ihnen herzustellen.
Danach wollte er die nähere
Umgebung der Insel erforschen. Und Tim Tintenklecks drängte, ihn begleiten zu
dürfen.
So war der Tag nicht mehr fern,
an dem sie zu viert ins Wasser stiegen: der Professor, Tim, das Urmel und Ping
Pinguin.
Wutz spürte vorläufig kein
Verlangen nach diesem Abenteuer. Dagegen hofften Wawa und Schusch, daß auch sie
bald mitgenommen würden.
«Denn», sagte Schusch, «wenn
Päng Pänguän schwämmen kann, dann kann äch es auch!»
«Kann Ping Pinguin denn
fliegen?» fragte Wawa.
«Nein, kann er nächt!»
«Dann verstehe ich auch nicht,
wieso du schwimmen lernen sollst?»
So betrachtet verstand es Schusch
auch nicht mehr so recht. Jedenfalls — vorläufig bewegten sich nur die
genannten vier schwerelos im Wasser. Leicht schwänzelte das Urmel voran, Ping
Pinguin vermochte ihm manchmal kaum zu folgen, während der Professor und Tim
oft verharrten, um zu schauen und zu staunen.
War dieses schön
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