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Urmel taucht ins Meer

Urmel taucht ins Meer

Titel: Urmel taucht ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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gedacht hatte.
    Eines Abends trottete sie
unglücklich ins Blockhaus hinauf, ohne eine Zeile geschrieben zu haben. Sie
zupfte des Professors Bettdecke gerade, stellte Früchte zum Abendbrot auf den
Tisch und rief: «Urmel, komm, Ohren waschen!»
    «Wieso wäschst du mich wieder?»
war die verwunderte Antwort. Lange hatte sich Wutz nicht mehr um ihn gekümmert.
Deshalb senkte es brav seinen Kopf, damit Wutz ihn bequem erreichen konnte.
    «Ich gebe das Dichten auf,
öff!» Wutz war sehr betrübt. «Wo ist eigentlich der Professor?»
    «Der läßt sich von dem
Krabbenvieh Märchen erzählen!»
    «Was?» Das wollte Wutz selber
sehen! Sie lief in die Höhle. Die anderen folgten ihr neugierig. Zusammen
trafen sie am unterirdischen See ein.
    Da bot sich ihnen ein
eigenartiges Schauspiel. Der Professor saß auf einem Stein, die Kerze neben
sich auf der Säule. Sie beleuchtete ihn und die Krabbe, die den Felsen
verlassen hatte und vor Habakuk Tibatong saß. Den Oberkörper leicht erhoben,
fuchtelte sie blitzschnell mit den Scheren in der Luft herum.
    Der Professor kritzelte eifrig
Zeichen in ein Buch, in seiner eigenen Kurzschrift. Dann klappte er es zu. «Ihr
kommt gerade recht! Soeben ist sie mit ihrem Bericht fertig!»
    «Ist dieses Gefuchtel ihre Art,
mit dir zu reden? Und du hast sie verstanden, öfföff?»
    «Du selber hast mir ja den Rat
gegeben, ihr die Taubstummensprache beizubringen!»
    «Allerdings!» Wutz fühlte sich
geschmeichelt.
    «Und was hat das Biest dir
erzählt?» fragte das Urmel.
    «Bitte sagt nicht mehr Biest»,
bat der Professor. «Die Krabbe ist ein sehr gutmütiges, einsames, liebes und
zärtlichkeitsbedürftiges Geschöpf!»
    «Was für ein Gepföpf?» Ping
Pinguin war voller Zweifel.
    «Ein
tschärtlichkeitsbedürftiges oder so...», sagte Wawa.
    «Aber warum ist sie damals so
unheimlich auf uns tschugekrochen, als ich mit dem König und Sami in der Höhle
verschüttet war? Das war gantsch verflikscht nicht tschärtlich!»
    «O doch! Sie wollte nämlich von
euch gestreichelt werden! Aber sie fürchtete, daß ihr sie verscheuchen oder
erschießen würdet!»
    «Natürlich hätte sie der König
erpfossen, er hat ja auch nach mir gepfossen!» rief Ping Pinguin, der sich an
seine Zeit als königlicher Postbote erinnerte.
    «Das arme Ding ist es nicht
gewöhnt, nett behandelt zu werden!» Habakuk Tibatong strich der Krabbe leicht
über die empfindlichen Fühler. Das schien ihr zu gefallen, denn sie hielt
still.
    «Nun erzähl pfon ihre
Gepfichte!» bat Ping Pinguin.
    Der Professor machte einige
rasche Bewegungen mit den Armen, und die Krabbe legte sich nieder. Ruhig
blickte sie ihn mit ihren Knopfaugen an, faltete die Scheren und stützte den
Kopf darauf wie ein Kind, das zuhört.
    «Äch bän platt!» bemerkte
Schusch. «Das äst wärkläch ein seltsamer Anbläck. Äch möchte wässen, was
Seele-Fant dazu sagen würde!»
    Alle ließen sich in
angemessenem Abstand nieder, und der Professor klappte sein Buch wieder auf.
«Ich erzähle euch nur das Wichtigste in Kürze», sagte er.



Der Professor redet viel
     
    Erst putzte sich der Professor
die Nase. Dann begann er: «Es ist nicht einfach, den richtigen Anfang zu
finden, denn die Krabbe hat kunterbunt durcheinandererzählt. Sie hat natürlich
keine Übung, seit Jahrhunderten hat sie sich mit niemandem unterhalten...»
    «Seit Jahrhunderten? — Ist sie
denn so alt?»
    «Aber gewiß!»
    «Ach, dann hat sie vielleicht
meine Mama und meinen Papa gekannt?» fragte das Urmel.
    «Nein! Um deine Eltern kennen
zu können, müßte sie Jahrmillionen alt sein.»
    «Ich bin deine Mama!» sagte
Wutz in einem Ton, der keine Widerrede duldete.
    Der Professor sagte: «Also, die
Krabbe ist viele hundert Jahre alt. Sie selbst weiß zwar nicht, was Zeit ist,
aber ich konnte es ungefähr ausrechnen. Als sie ein Kind war — bis zum
Krabbenflegelalter sozusagen — , lebte sie mit ihren Eltern in der Karibischen
See vor den Küsten Mittelamerikas. Damals fuhren die ersten Segelschiffe von
Europa in die Neue Welt. Sie hießen Galeonen und waren mit Kanonen bestückt,
denn sie mußten manchmal gegen Seeräuber kämpfen. Oft hatten sie Gold und
Edelsteine an Bord — auch chinesisches Porzellan oder Gewürze, die zu jener
Zeit besonders begehrt waren.»
    «Oh», rief Wutz, «ich sehe sie
vor mir, die stolzen Schiffe, wie sie mit geblähten Segeln über den Ozean
ziehen!»
    «Ja — aber nicht selten
gerieten sie in schwere Stürme, und viele erlitten Schiffbruch, sie liefen

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