Urmels großer Flug
gestreiftes Zelt aus lichtdurchlässiger Leinwand. In
diesem Zelt wollte der berühmteste Modeschöpfer des Landes seine neue
Sommerkollektion eleganter Damenkleider einem auserlesenen Publikum vorstellen.
Es waren genau die Herrschaften eingeladen, für die Wutz eine so große Vorliebe
hatte. Dort trafen sich lauter Leute von Rang und Namen und mit viel Geld. Als
Dame von Rang und Namen war eigentlich auch Naftaline eingeladen worden, König
Futschs Gemahlin. Leider konnte sie nicht kommen, da sie von der Suche nach
einem gewissen Urmel völlig in Anspruch genommen wurde.
Außer
den Spitzen der Gesellschaft eilten zu diesem Ereignis selbstverständlich auch
die besten Modefotografen der Welt. Die Aufnahmen von Maestro Cluccis neuen
Modellen ließen sich immer blendend an die internationalen Mode- und
Frauenzeitschriften verkaufen. Maestro heißt übrigens Meister, und Clucci wird
— wer wüßte das nicht — Klutschi ausgesprochen.
Die
Mannequins von Maestro Clucci, die überschlanken Mädchen also, welche die
Kleider vorführten, waren ebenfalls die teuersten der Welt, sogenannte
Topmodelle. Kurz und gut, alles, was fein und teuer war, gab sich hier ein
Stelldichein.
Nur
schade, daß Wutz nicht in Naftalines Begleitung erschien!
Das
Urmel und Schusch beobachteten all das Anfahren der verschiedenen Autos mit
wachsendem Interesse aus einem Gebüsch heraus. Da kamen zunächst die Lkws mit
den Kleidern, dann die Lieferwagen mit den Scheinwerfern, dann die kleinen
Flitzer der Fotografen und Presseleute, dann die Omnibusse mit den Mannequins —
ein lebhaft plauderndes Grüppchen, das von einer ältlichen Dame nur mühsam
zusammengehalten werden konnte — , dann das Sportcabrio des Meisters, dann
endlich rollten auch die lautlosen Luxuslimousinen der feinen Damen herbei.
Alle erschienen in der teuersten Garderobe, manche hatten ein verknittertes
Ehemännchen bei sich, das grämlich eine dicke Zigarre rauchte. Ehemänner
interessieren sich meist weniger für die Mode ihrer Gattinnen, weil diese vor
allem viel Geld kostet. Manche Dame trug auch ein sorgfältig gekämmtes
Schoßhündchen unter dem Arm oder führte es an der Leine, mit seidenweichem,
frisch gewaschenem Fell. Aber trotz aller Vornehmheit mußten auch diese
Schoßhündchen ihr Beinchen an der Zeltecke heben. Baba!
»Komm
fort von här«, bat Schusch voll böser Ahnung.
»Denkste!
Hier wird es richtig. Hier treffen gerade die Leute zusammen, denen ich mich
vorstellen muß, damit ich in die feine Gesellschaft eingeführt werde. So eine
gute Gelegenheit kommt so bald nicht wieder.«
»Mär
bleibt aber auch nächts erspart«, meinte Schusch. Er wirkte leicht gequält. Das
Urmel wartete noch ungefähr eine halbe Stunde. Dann ertönte im Zelt statt des
Durcheinanderschnatterns der Gäste eine leise Hintergrundmusik; dann plauderte
ein Ansager allerhand Lustiges über den Meister und seine neuesten Schöpfungen,
er erzählte auch nette Geschichten über die Mädchen, von denen die Modelle vorgeführt
wurden. Sie waren eigens für den heutigen Tag aus aller Welt herbeigeflogen
worden, aus Amerika, Australien, Afrika und Asien.
Und
dann traten diese Zaubergeschöpfe nach und nach auf, in den neuesten
Kreationen. So nennt man die Modeschöpfungen der großen Modemeister. Man hörte
es draußen nicht nur an den Ansagen, man hörte es auch am freundlichen, jedoch
vornehm zurückhaltenden Beifall. Und manchmal kläffte ein Hündchen so ein
Mädchen an.
Und
die Fotografen klickten, was die Verschlüsse hergaben. Manche hatten sogar
Kameras mit Motor, damit sie ununterbrochen hintereinanderweg fotografieren
konnten.
»Wenn
du nächt bald gehst, äst dä Vorführung vorbei«, meinte Schusch. Ihm wurde die
Warterei langweilig. Ließ sich das Urmel schon nicht zurückhalten, brachte man
die Sache am besten schnell hinter sich.
Schon
war er allein im Gebüsch. Die Äste neben ihm schwankten und schlossen eine
Lücke. Wenn Schusch nun auch nichts von dem sehen konnte, was im Zelt vor sich
ging, so hörte er es doch. Zunächst vernahm er von dort, wo sich vermutlich die
Garderobe der Mädchen befand, ein mörderisches Kreischen. Dann stoben sie
hinaus ins Freie, wie ein Schwarm bunter Vögel. Einige in Kleidern, die anderen
in feiner Unterwäsche.
Lustig
sah das zwar aus, gehörte aber sicher nicht ins Programm.
Die
Musik dudelte weiter, und der Ansager im Vorführraum plauderte noch. Er wartete
auf das nächste Kleid, das er bereits ankündigte. Er plauderte über
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