Urmels großer Flug
seine Frau und sein Sohn um ein Haar der
Spucke auf den Boden gefolgt wären. Der Farmer riß Mund, Nase, Ohren und Augen
auf, deutete mit dem Pfeifenstiel empor und flüsterte erregt: »Wenn das kein
Ufo ist, dann will ich trockenes Stroh fressen!«
Seine
Frau und sein Sohn wollten ebenfalls trockenes Stroh fressen, sollte das kein
Ufo sein. »So wahr ich lebe«, brüllte der Sohn, »so wahr ich lebe, das ist ein
unbekanntes Flugobjekt, ein Ufo, eine fliegende Untertasse, ein Raumschiff.«
Der
silbern glänzende Gegenstand stand fast unbewegt unter dem Wolkenrand, denn das
Urmel schwebte wie ein Segelflieger. Doch plötzlich legte es die Flügel an und
schoß in einem gewagten Sturz nieder, fing sich dicht über dem Erdboden und
steuerte zu Schusch zurück. Aber das vermochten der Farmer, seine Frau und sein
Sohn nicht zu sehen, denn die Baumwipfel verdeckten die beiden.
»Da
hinten ist es niedergegangen«, rief der Farmer aufgeregt. »Los, Frau, fahr mit
dem Traktor nach Hause, nimm die Abkürzung über die Wiesen, es macht jetzt
wahrhaftig nichts aus, wenn du sie kaputtfährst, fahr, so schnell du kannst,
ruf den Rundfunk an, die Presse und meinetwegen die Polizei. Aber beeil dich,
und komm gleich zurück, bring auch den Fotoapparat mit, vergiß das ja nicht!
Wir zwei versuchen uns zu Fuß anzuschleichen, durch den Wald, wie die Indianer,
wollen doch mal sehen, ob wir das Raumschiff nicht vor die Pupille kriegen und
auch die kleinen grünen Männchen.«
»Aber
vorsichtig! Die haben so Waffen, so Strahlenpistolen und gefährliche Dinger,
die wir nicht kennen! Die können sogar Materie auflösen!« flehte die aus dem
Fernsehen klug gewordene Mutter.
»Sei
unbesorgt, Ma, wir lassen uns nicht erwischen«, meinte der Sohn. Und dann
ratterte die Mama auf dem Traktor ins Farmhaus, unterwegs überlegte sie sich,
was sie am Telefon alles erzählen sollte, und daß sie trotzdem blitzschnell mit
dem Fotoapparat und dem Fernglas zurückkommen wollte, um ihre beiden Männer zu
suchen. Aber da wollte sie nicht den Traktor nehmen, weil der zuviel Lärm
machte, sondern das Fahrrad.
Zweiundzwanzigstes
Kapitel
In dem das Urmel sich an seine Weltraumabenteuer erinnert und einen großen
Auflauf verursacht
Nach allen
Regeln der alten Westmännerkunst, wie sie ihnen aus dem Kino bekannt war,
schlichen sich der Farmer und sein Sohn durch den Wald. Wenn sie nicht gerade
Filme von Raumschiffen sahen, dann doch solche aus der wilden Vergangenheit
ihres Landes, Western, die von rauhen, unerschrockenen Männern und ihrem Kampf
mit den Indianern erzählten.
Die
Zweige knackten unter ihren Stiefeln wie unter Elefantentritten. Und sie
schnauften wie nach einem Dauerlauf. Aber als sie auf diese unüberhörbare Weise
durch den Wald gepflügt waren, gelangten sie an ein weites Feld, das drüben
wiederum von einem anderen Waldrand begrenzt wurde. Und da...
»Jetzt
soll doch gleich der Blitz in mich einschlagen«, flüsterte der Farmer laut wie
eine pfeifende Lokomotive im Tunnel: »Ein kleines grünes Männchen!«
»Recht
hast du, Pa«, fauchte sein Sohn auf die gleiche Weise zurück.
Das
Urmel spitzte die Fledermausöhrchen. Und Schusch bemerkte: »Da kommt jemand.«
Er zog sich lieber noch weiter in den Busch zurück.
»Vielleicht
hat der Jemand was zu essen?« meinte das Urmel. Es fand, daß sie nun lange
genug allein gewesen waren. Wenn es stets allein blieb, konnte es nie bekannt
werden.
»Sei
vorsächtäg«, warnte Schusch.
»Ich
bin vorsichtig«, antwortete das Urmel unwillig und machte »Huhu!« Es winkte mit
den kleinen grünen Pfoten: »Ich tue euch nichts!«
»Verdammt,
er ruft uns was zu«, japste der Farmer.
»O
ja, Pa, was sollen wir bloß machen?«
»Wenn
Ma nur schon zurück wäre«, sagte der Vater. Er hüpfte hinter einen Baum und
bedeutete dem Sohn, ebenfalls in Deckung zu gehen. Dann rief er mutig: »Können
Sie uns verstehen? Wir haben die freundlichsten Absichten. Wir sind
unbewaffnet. Kommen Sie von einem anderen Stern?«
»Was
will er?« fragte das Urmel seinen Flugbegleiter.
»Er
fragt, ob du von einem anderen Gestärn kommst, aus dem Weltraum.«
»Ja,
daher bin ich«, quäkte das Urmel zurück. »Und auch ich habe die freundlichsten
Absichten. Kommt ruhig hinter dem Baum vor.«
»Meinst
du, wir können ihm trauen?« fragte der Sohn.
»Und
wenn ich dabei draufgehe«, murmelte der Vater, »das ist die Chance meines
Lebens!« Er erinnerte sich zahlreicher, nervenzerfetzender Szenen
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