Urod - Die Quelle (German Edition)
Mond sein spärliches Licht auf die Erde sandte. Enza, die nachtblind war, hatte extreme Schwierigkeiten überhaupt zu erkennen, wohin ihre Füße traten.
„Sollen wir nicht doch die Lampe einschalten?“
„Wir hatten gesagt, nur im Notfall. Sonst können wir den Urods direkt zurufen, dass leichte Beute unterwegs ist.“
„Ja, ich weiß. Aber ich kann überhaupt nichts sehen.“
„Du wolltest mit, jetzt musst du da auch durch.“
Enza seufzte leise, erwiderte aber nichts. Sebastian tat es leid, dass er so hart war, aber seine persönlichen Dämonen spukten ihm im Kopf herum und ließen keinen Raum für Empathie. Er ließ seine Augen zum Himmel wandern und sah so gut wie nichts, außer den Mond, teilweise verdeckt von Wolken, der als fahle Scheibe am Himmel prangte. Der Rest war Schwärze. Sterne waren keine zu erkennen. Einerseits war das gut, denn das hieß, dass der Regen wohl noch eine Weile anhielt. Andererseits war es in der Tat so dunkel, dass auch er Schwierigkeiten hatte, die Umgebung zu erkennen. Geschweige denn Dragos schwarzen Mantel, in dem sich der Schlüssel hoffentlich noch befand.
„Wir müssen nur zu der Stelle, wo sie Drago eben… gefressen haben. Ich meine mich zu erinnern, dass er den Mantel da noch anhatte.“
„Beruhigend“, lautete Enzas nüchterne Antwort. „Und was wenn nicht? Wir können ihnen ja schlecht in ihrer Höhle auflauern, sie zu Tode erschrecken und uns dann in aller Ruhe den Mantel krallen.“
„Das weiß ich selbst. Jetzt lass uns erst mal die Stelle suchen und wenn der Mantel da nicht ist, dann überlegen wir uns was. Aber jetzt sollten wir die Klappe halten. Wenn sie hier wirklich 'ne Wache postiert haben, dann würde ich den Typen gerne hören, bevor er mir die Eier abbeißt.“
Enza schluckte herunter, was ihr auf der Zunge lag und konzentrierte sich auf den Weg. Gleichzeitig versuchte sie zu lauschen. Auch wenn die Urods besser ausgeprägte Sinne hatten und schnell waren, so konnten sie sich doch nicht lautlos bewegen. Das ewige Rauschen des Regens war einem leiseren Tröpfeln gewichen, aber immer noch war es laut genug, um die meisten Geräusche der Nacht zu überdecken. Inklusive dem der Quelle. Gottlob. Auch wenn Enza dafür dankbar war, so verunsicherte es sie doch immens, dass sie selbst Sebastians und ihre eigenen Schritte auf dem durchweichten Boden nicht hören konnte. Außerdem waren ihre Klamotten klamm und die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Sie fröstelte und fühlte ein leichtes Kratzen im Hals. Sie wunderte sich, dass ihre Gedanken so sehr abschweiften und um nebensächliche Dinge wir körperliches Unwohlsein kreisten, wo sie doch jede Sekunde von einem Monster angegriffen werden konnten. Sie versuchte bewusst die Schwere der Waffen in ihren Händen zu fühlen und sich bereit zu machen für einen schnellen Kampf. Mehrmals sah sie sich um. Das Gefühl, dass ihnen jemand folgte, bildete sie sich bestimmt nur ein, weil Thomas davon gesprochen hatte, aber sicher war sie sich natürlich nicht.
Gott! Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren.
Sebastian neben ihr marschierte mit festem Schritt voran. Er hatte seinen Blick abwechselnd auf den Boden und die Umgebung gerichtet. Seine Hände umklammerten die Taschenlampe und die Axt mit festem Griff. Jede Faser seines Körpers schien gespannt zu sein. Enza schoss es durch den Kopf, dass ein Mann diese Art von Unternehmung vielleicht wirklich eher in den Genen hatte, als eine Frau, auch wenn ihr die Vorstellung gleichzeitig widerstrebte. Glaubte sie doch eigentlich nicht, dass Männer etwas konnten, was Frauen nicht vermochten. Außerdem spürte sie den fast unwiderstehlichen Drang, zu sprechen. Das würde ihre fahrige Nervosität abmildern, aber sie wusste, dass Sebastian sie dafür einen Kopf kürzer machen würde. Und er hatte ja recht. Sie konnten sowieso kaum etwas hören, da würde ihr Gerede es den Urods nur noch leichter machen.
„Ich glaube, es war weiter rechts, oder?“
Sebastians flüsternde Stimme strömte durch die Nacht wie Gas. Enza zuckte heftig zusammen. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, was er meinte.
„Drago. Es war da vorne rechts, wo sie über ihn hergefallen sind, oder was meinst du?“
Enza sah nach rechts und zuckte die Achseln.
„Ich habe es nicht richtig gesehen. Aber ich glaube schon.“
„Wie gut, dass ich dich mitgenommen hab'!“
„Hey! Ich geb' hier mein Bestes, ok?! Wir alle. Also fang jetzt nicht an, zu stänkern, sondern lass uns einfach da
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