Urod - Die Quelle (German Edition)
Nachfragen hin erklärte Thomas ihr, dass es sich dabei um eine klassische Wetterstation handelte, mit der man den Luftdruck und die Luftfeuchtigkeit mäße und so vorhersagen könnte, wie das Wetter für die nächsten paar Stunden würde, aber Enza ließ ihn nicht ausreden.
„ Ja, wir wissen, wie eine Wetterstation funktioniert. Die Frage ist, wozu brauchen sie die?“
„ Das Wetter ist nicht unerheblich beim Graben. Du hast ja gesehen, wie schlammig der Boden hier wird, wenn es regnet. Außerdem ist es wichtig für die Lagerung bestimmter Artefakte, vor allem was die Luftfeuchtigkeit betrifft.“
„ Ich dachte, die Grabungen sind vorbei."
Sebastian beachtete den Dialog zwischen Thomas und Enza nicht. Er hatte nur Augen für Miles und Drago, die nach wie vor wild gestikulierend miteinander stritten.
„ Was glauben die eigentlich, wer sie sind? Ich meine, ok, Miles ist der Sohn von Harris, aber was hat dieser Professor hier zu suchen?“
„ Findet ihr es nicht auch seltsam, dass Harris seinen eigenen Sohn zum Aufpassen abbestellt hat? Miles ist doch höchstens 16 oder 17. Was ist, wenn sich wirklich ein paar Grabräuber hierher verirren? Welcher Vater tut so was?“, sagte Lea plötzlich. „Ich hab wirklich viel Gutes über den Prof. gehört, aber das finde ich ziemlich daneben, muss ich sagen.“
Die anderen blickten verblüfft zu ihr herüber.
„ Stimmt“, sagte Thomas, „aber vielleicht gab es auf die Schnelle keine andere Lösung.“
Viola gähnte herzhaft, sie hatte keine Reserven mehr für derartige Mutmaßungen. In dem Moment betraten Miles und Drago die Baracke. Drago machte sich sofort an den Bärenfallen zu schaffen, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, während Miles auf sie zusteuerte.
„ Also heute Nacht könnt ihr hier bleiben, aber unter einer Bedingung: Ihr verlasst auf keinen Fall das Camp. Morgen Früh bringt Drago euch zurück ins nächste Dorf. Von da aus fährt ein Bus nach Plovdiv.“
Sein Blick streifte ein paar selbstgezimmerten Regalen über der Truhe und die Paletten vor einem der vernagelten Fenster.
„ Wir haben Wasser, Schnaps und die Konserven", er wies auf die meterhoch gestapelten Büchsen, „Bedient euch! Wenn ihr pinkeln müsst, nehmt die Eimer, die hier überall rumstehen, aber verlasst die Baracken nicht!“
„ Bitte? Warum nicht?“ empörte sich Sebastian.
Auch die drei Frauen machten angewiderte Gesichter ob der Tatsache, dass sie ihre Geschäfte in einen Eimer machen sollten. Miles zögerte wieder eine Sekunde zu lange und auch dieses Mal war es Drago, der an seiner statt antwortete.
„ Wildschweine. Nicht zu spaßen mit denen. Die töten dich, ohne zu fragen, ob du Akademiker bist, oder was.“
Er grinste nicht über seinen Witz.
„ Aber das Wichtigste überhaupt ist, dass ihr euch, falls sich unsere Wetterstation irrt und der Regen in den nächsten Stunden doch aufhört, das hier in die Ohren stopft“, ergänzte Miles.
Die anderen sahen ihm verdutzt dabei zu, wie er Bienenwachs und eine Jumbo-Packung Watte auf den Tisch knallte. Dann schnappte er sich ein Knäuel Watte aus der Tüte, riss etwas von dem Wachs ab und formte dann aus beidem eine Art Pfropfen. Je länger er den Klumpen zwischen seinen Fingern rollte, umso braun-grauer wurde er. Jetzt erst fiel Viola auf, wie dreckig Miles' Hände waren. Auch seine Fingernägel schienen schon eine Weile keine Schere mehr gesehen zu haben. Sie waren lang und starrten vor Schmutz.
Als Sebastian wissen wollte, warum in Gottes Namen sie etwas derartiges tun sollten, richtete sich Drago, der sich gerade eine Bärenfalle nach der anderen auf die Schulter lud, verärgert auf.
„ Entweder ihr macht, was Miles sagt, oder ihr müsst sofort wieder fahren.“
Miles warf ihm einen schnellen Blick zu und sah versöhnlich in die Runde.
„ Tut es einfach! Betrachtet es als überlebenswichtige Maßnahme und fragt nicht weiter nach."
Viola griff nach Sebastians Arm und drückte ihn.
„ Ich denke, das kriegen wir hin.“
Sie sah die anderen auffordernd an, die sich nacheinander dazu bereit erklärten, ihre Ohren zu versiegeln, falls der Regen nachlassen sollte - mal mehr mal weniger glaubwürdig. Nur Sebastian schwieg beharrlich, aber das entging Miles. Augenscheinlich hatten er und Drago es eilig.
Kapitel 3
Drago trug die Fallen allesamt auf seinem Rücken und stand bereit zum Abmarsch. Thomas traute seinen Augen nicht, der Kerl musste stark wie ein Ochse sein, hatte Thomas doch das Gewicht der
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