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Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Levine
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Enza erkannte sie auf einen Blick. Das wellenartige Maul leicht geöffnet und die wulstartig erscheinenden Innereien, die ein unheimliches Licht aussandten, das der Künstler mithilfe von kurzen Linien dargestellt hatte. Links und rechts neben der Quelle ragten keinerlei Felswände auf. Sie lag vollkommen frei. Das vierte Bild zeigte den, Enza mittlerweile wohl vertrauten, Reiter, der sein eigenes Pferd in die Höhe stemmte. Das Fünfte zeigte den gleichen Mann, der sich bereits in einen Urod zu verwandeln schien. Seine Glieder hatten die gedrungene Haltung einer Heuschrecke angenommen, seine Kiefer waren lang gezogen und seine Augen dunkel und erschreckend. Enza war klar, dass es sich um eine künstlerische Interpretation handelte, eine sinnbildliche Verknappung von Elementen, die den Charakter des Gesehenen möglichst klar wiedergeben sollte. Sie hatte nun eine Ahnung, was sie erwarten würde, wenn sie einem Urod gegenüberstehen sollte. Und bereits diese Ahnung erfüllte sie mit tiefem Grauen. Sie zwang sich, sich auf das nächste Relief zu konzentrieren. Es zeigte, wie Felsbrocken auf die Quelle des Geräusches stürzten. Auch zwei umfallende Bäume waren darauf zu sehen. Der erste Gedanke, der Enza in den Sinn kam, war: Erdbeben. Es hatte ein Erdbeben gegeben und die Quelle war verschüttgegangen. Als habe die Muttergöttin Gaia oder wie immer die Thraker diese nennen mochten, ein Einsehen gehabt und sie vor einem gruseligen Schicksal bewahrt. Bis dreitausend Jahre später ein paar neugierige Archäologen alles wieder in Gang setzten.
    Das siebte Relief zeigte fünf Männer, sie sich allesamt in unterschiedlichen Stadien der Verwandlung befanden. Auf dem achten Bild waren zwei Reiter und drei Männer abgebildet. Teilweise mit Lanzen bewaffnet. Das neunte Bild zeigte, wie diese Männer gegen die Urods kämpften. Das Neunte zeigte einen Reiter, der auf einem großen Urod stand, den er mit einer Lanze durchbohrte. Der Urod hatte nichts Menschliches mehr an sich. Er schien komplett verwandelt. Auf seiner Brust war eine Art Trichter zu sehen. Darüber hatte der Künstler erneut mithilfe kleiner Striche eine Art verewigt. Das war das letzte Relief.
    Enza prägte sich die Details ein so gut sie es vermochte. Auch Sebastian, Thomas und Viola versuchten sich zu merken, was sie sahen.
    Drago und Miles hatten sich bereits abgewandt und inspizierten die Höhle. Jetzt winkte Drago sie alle herbei. In einer Nische lagen die Reste eines angenagten Urods, der in der Mitte entzwei gerissen worden war wie ein Hähnchen. Sein Kopf war zur Hälfte abgefressen und er wirkte entstellt, so als habe man einem Reptil die Haut eines menschlichen Gesichts übergestülpt. Sein noch vorhandenes Auge blickte sie mit lichtstarren Pupillen an, die sich, ähnlich wie bei Drago, von einer runden zu einer konvexen Form verwandelt hatten. In die freiliegende Hälfte seines Schädels hatten sie ein Loch geschlagen. Offenbar um sein Gehirn auszuschlürfen, denn das fehlte. Seine anderen Gliedmaßen hatten sie allesamt verspeist. Lediglich die Knochen lagen zu einem Haufen aufgetürmt unweit seines Kopfes. Offensichtlich hatten sie begonnen, sich selbst zu verspeisen.
    Viola erbrach sich vor ihre eigenen Füße. Aber auch Enza, Thomas und Sebastian mussten würgen und konnten den Anblick nicht ertragen. Hysterie erfasste sie. Selbst Miles hatte Schwierigkeiten die Fassung zu bewahren. Seine Erschütterung spiegelte sich in seinen Augen wider. Der Einzige, der ruhig blieb, war Drago. Er untersuchte das, was von dem Urod übrig war, vermeintlich ungerührt und versuchte sich so ein Bild über die Urods und ihre Verhaltensweisen zu machen.
    Doch Miles drängte zum Aufbruch. Ihm war klar, dass die Studenten dieses Grauen erst mal verdauen mussten, bevor sie gemeinsam Gegenmaßnahmen ergreifen konnte. Ihm ging es nicht anders. Er hatte außerdem Angst, dass sie ihm nun nicht mehr würden helfen wollen, die Quelle zu sprengen. Vorsichtshalber sorgte er dafür, dass sie die Höhle so schnell wie möglich wieder verließen und zum Camp zurückkehrten. Doch als er Anstalten machte, in den Tunnel zurück zu kriechen, schrie Enza ihn an.
    „ Wenn du glaubst, ich gehe da noch mal rein, hast du dich geschnitten. Was machen wir, wenn eins dieser Monster versucht, zurück in seine Höhle zu kommen?! Lässt du ihm deinen Kopf da?“
    Ihr kamen die Tränen vor Angst und Verzweiflung. Miles sah vollkommen hilflos aus. Auch wenn er nicht hörte, was sie gesagt hatte,

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