Urod - Die Quelle (German Edition)
so verstand er doch, was sie meinte. Sie wollte keinesfalls in den Tunnel zurück. Er konnte ihr das nachfühlen. Denn auch er wollte das nicht. Aber sie hatten keine andere Wahl. Er schrie zurück.
„ Aber es ist der einzige Ausgang. Wir müssen da durch, oder wir müssen hier bleiben und ich glaube nicht, dass das eine schlaue Alternative ist.“
Dabei gestikulierte er wild. Die anderen kapierten, was er ihnen mitzuteilen versuchte und ihre Verzweiflung stieg. Sogar Thomas und Sebastian hatten Schwierigkeiten, sich zu beherrschen. Die Angst saß ihnen im Nacken und hatte fest zugepackt. Viola hingegen schien völlig paralysiert.
Sebastian ging zu Miles und stellte sich direkt vor ihn. Er wies ihn an, von seinen Lippen zu lesen. Er zeigte auf den Tunnel und modulierte dann die Worte: „Keine Chance gegen Urods!“
Miles wusste selber, dass dieser Tunnel selbstmörderisch war. Falls die Urods zurück kamen und sie in dem Tunnel erwischten, hätten sie keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Doch was sollten sie machen. Er zuckte mit den Achseln, woraufhin Enza, Sebastian und Thomas begannen durcheinanderzuschreien. Es war ein erschreckender Anblick, da sie sich gegenseitig nicht hören konnten. Ihre stummen Schreie ließen Miles nicht kalt. Er überlegte einen Moment und sah sich in der Höhle um. Dann schritt er auf Drago zu und verständigte sich mit Händen und Füßen.
„ Gibt es einen anderen Ausweg?“
Drago konnte seinen Blick nur schwer von den Resten des Urods lösen. Er sondierte nun ebenfalls die Lage. Seine Augen schienen die Gegebenheiten der Höhle viel schneller und gründlicher wahrzunehmen als die von Miles. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, ob die Zufluchtsstätte der Urods einen anderen Ausgang barg, dafür müssten sie tiefer in die Höhle hineingehen, doch damit stieg gleichzeitig die Gefahr, dass sie von den Urods überrascht würden. So oder so säßen sie in der Falle. Drago deutete den Studenten und Miles an, dass sie sich im tiefer im Felsen gelegenen Teil der Höhle umsehen müssten. Die anderen schwärmten sofort aus. Offenbar jagte ihnen der Tunnel nach draußen derart viel Angst ein, dass die Gefahr, sich den Urods gleichsam auf dem Präsentierteller anzubieten, weniger schreckte.
Enza und Miles hasteten nach links, vorbei an dem Fries und erkundeten dort unter hektischem Ableuchten der Felswände, ob es einen Spalt oder ein Loch gab, durch das sie nach außen schlüpfen könnten. Die Oberfläche der Felswand war uneben und karstig und ein paar Mal sah es so aus, als wären die beiden auf einen Spalt gestoßen, doch wann immer Enza die Stellen mit fliegenden Fingern erkundete, erwies sich das als Trugschluss. Auf dieser Seite waren die Höhlenwände offenbar vollkommen dicht.
Sebastian, Thomas und Viola stolperten in die andere Richtung und versuchten dort ihr Glück. Viola kam erst langsam wieder zu sich und Sebastian musste sie regelrecht hinter sich her zerren. Das Laufen tat ihr gut, es brachte ihre Lebensgeister wieder in Schwung und sie hatte das Gefühl, Stück für Stück aus einem lähmenden Alptraum zu erwachen. Sie versuchte, den Anblick des ausgeweideten Urods aus ihrem Kopf zu kriegen und zwang sich, sich auf die Umgebung zu konzentrieren, doch die stickige Wärme und der durchdringende Moschusgeruch, machten sie träge. Erst jetzt wurde sie sich wieder der Axt bewusst, die sie nachlässig in ihrer rechten Hand hielt. Sie packte fester zu und aktivierte bewusst ihre Körperspannung. Als Sebastian spürte, dass sie ihre Lethargie abgeschüttelt hatte, ließ er sie los und eilte mit Thomas zusammen ein paar Schritte voraus. Da die beiden Taschenlampen hatten und Viola nicht, blieb sie dicht hinter ihnen, doch nach wenigen Metern erblickte sie in ihrem Peripher eine Nische, in der Höhlenwand, die etwa anderthalb Meter hoch und zwei Meter breit war. Das könnte der rettende Ausgang sein, den sie suchten, schoss es Viola durch den Kopf und sie lief darauf zu. In dem Moment, in dem sie den Mund öffnete, um Sebastian und Thomas zu bitten, die Stelle mit ihren Taschenlampen auszuleuchten, fiel ihr ein, dass die beiden sie ja gar nicht hören konnten. Sie würde sie herbeiholen müssen und wollte sich gerade herumdrehen, als sie eine schnelle Bewegung vernahm und auf der Stelle erstarrte. Im ersten Moment glaubte Viola, sie hätte sich das nur eingebildet und starrte angestrengt in Richtung der Nische. Nichts geschah. Langsam machte sie einen Schritt
Weitere Kostenlose Bücher