Urod - Die Quelle (German Edition)
Maul auf.
"Lea" dachte Viola nur.
Ihr Körper und Geist standen unter Hochspannung und sie fühlte plötzlich, wie etwas ihre Schulter berührte. Sie roch Thomas' Aftershave und ein Energieschub durchfuhr ihren Körper. Just in dem Moment stürzte sich Lea auf sie zu. Sie war so schnell, dass es Viola vorkam als bewege sie sich selbst wie in Zeitlupe. Leas aufgerissenes Maul, die gierig ausgebreiteten Arme flogen auf sie zu und es schien als würde sie nichts mehr aufhalten können, doch da riss Viola die Axt empor schlug mit der ganzen Kraft ihres Körpers zu. Die Klinge fuhr in den Schädel Leas und blieb dort stecken. Lea riss für einen Moment das Maul auf und entblößte einen schwarzen Schlund. Dann wurde es dunkel und Viola konnte nur ahnen, dass sie zu Boden sackte wie ein gefällter Baum. Sie wirbelte herum. Hinter ihr stand Thomas, der vollkommen geschockt auf das Wesen starrte, das am Höhlenboden lag. Die Hand, mit der er die Taschenlampe hielt, zitterte unkontrolliert. Es gelang ihm, den Lichtstrahl auf den Körper zu richten, der einmal Lea gewesen war. Ihre Augen waren verdreht und lichtstarr, die Axt steckte immer noch in ihrem Schädel, der nun mit Blut besudelt war. Es gab keinen Zweifel. Lea, oder was immer es war, das da lag, war tot.
Langsam drehte sich Thomas zu Viola um, deren Augen flackerten und glühten und die wie von Sinnen zu sein schien. Nur langsam wurde ihr Blick klarer und sie schien jetzt erst zu begreifen, was geschehen war. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und taumelte. Thomas packte ihr Handgelenk und zog sie mit sich fort. Weg von Lea, weg von dem toten Wesen, das durch Violas Hand gestorben war. Der Frau, die er über alles liebte und die nun auf eine vollkommen bizarre Art und Weise die Schuld teilte, die er letzte Nacht auf sich geladen hatte.
Sie liefen in Sebastian hinein, der ihnen durch Gesten zu verstehen gab, der er keinen anderen Ausgang gefunden hatte. Er bemerkte sofort, dass mit Viola etwas nicht stimmte, aber Thomas zerrte sie einfach weiter hinter sich her zu Miles, Enza und Drago herüber, die ebenfalls die Köpfe schüttelten, auch sie waren nicht fündig geworden. Der Tunnel war der einzige Ausgang. Drago wies nun energisch darauf, bevor er sich in Bewegung setzte und darauf zueilte. Thomas folgte ihm ohne zu zögern und ohne Violas Hand loszulassen, doch die schüttelte seine Hand nun ab. Als er sich zu ihr herumdrehte, schaute sie ihn wütend an wie ein Kind, das sich zu Unrecht bevormundet fühlt. Drago lenkte die Aufmerksamkeit auf sich und wies mit seinem Daumen zuerst auf seine Brust und dann auf den Tunnel. Er würde die Vorhut bilden. So hätten die anderen im Zweifelsfall Zeit, in die Höhle zurück zu kriechen und die Urods dann dort zu bekämpfen, sobald sie mit Drago fertig waren.
Auch wenn der Tunnel ihnen allen Furcht einflößte, so fügten sie sich schnell in ihr Schicksal, allein Enza durchlief ein Schaudern, auch wenn sie einsah, dass sie keine Wahl hatten. Denn sie wusste, dass jede Sekunde, die sie hier verbrachten, die Gefahr ein Stück weit näher kam.
Sie drängten sich dicht aneinander. Miles bildete dieses Mal die Nachhut und sie krochen so schnell sie konnten, beflügelt durch das Adrenalin, das sie vollkommen unempfindlich gegenüber schmerzenden Knien machte. Ohne Zwischenfall erreichten sie den Part des Tunnels, in dem sie aufrecht gehen konnten. Die restlichen Meter rannten sie zurück. Als sie wieder draußen an der frischen Luft standen und die feuchte Schwüle sie umfing wie ein schwerer Umhang, atmeten sie auf. Doch Drago drängte sie weiter zu laufen, zurück ins Camp zurück. Dort würden sie in Sicherheit sein. Zumindest vorerst. Die dunkelblauen Wolken, die den Himmel eingenommen hatte, kündeten von Regen. Regen, der sie schützen würde, solange er anhielt.
Erschöpft taumelten sie durch den Wald und erreichten nun eine Lichtung. Angst und Müdigkeit waren ihnen ständige Begleiter. Viola war zwar hellwach, doch sie erwischte sich immer wieder dabei, dass sie sich nicht auf die Umgebung konzentrierte, sondern wieder und wieder abspielte, was sich soeben in der Höhle ereignet hatte. Noch schien niemand zu bemerken, dass sie ihre Axt nicht mehr bei sich hatte, aber es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie es den anderen würde erklären müssen. Nur wie? Sie verstand ja selbst kaum, was passiert war. Sie hatte Lea getötet. Lea. Natürlich war es nicht mehr wirklich sie, sondern eine Mutation,
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