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Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Levine
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dass Miles eine Taschenlampe angeknipst hatte und den Gang ausleuchtete. Doch sie sah bewusst nicht nach oben oder zu Seite. Sie hatte Angst vor dem Gefühl, in einem Grab zu stecken, ohne die Möglichkeit von dort auszubrechen, um an die frische Luft zu gelangen. Und wieder kroch die Panik an ihr hoch wie eine Würgeschlange, die sich langsam aber sicher den Weg zu ihrem Hals bahnte und ihre Lunge schien zusammengedrückt zu werden. Es war, als müsste sie gegen einen Widerstand atmen, ja als wäre ihre Lunge selbst dieser Widerstand, der nur durch ein winzig kleines Loch Luft herein ließ. Sieh auf seine Beine! Sie bewegen sich vorwärts. Schritt für Schritt gelangst du näher an die frische Luft heran. Nicht mehr lange, Enza, nicht mehr lange. Sie sprach sich selbst Mut zu und es half. Ihr Atem beruhigte sich ein wenig. Und dann sah sie, wie Sebastian sich aufrichtete. Auch Miles streckte sich und sprang auf die Füße. Sie tat es ihm nach und sah sich um. Viola hinter ihr schien ebenfalls erleichtert, dass sie wieder normal gehen konnten. Als sie sich umdrehte, lief sie direkt in Miles hinein, der stehen geblieben war und sich mit offenem Mund in der Höhle umsah, die sich nun erreicht hatten.
     

    Es war ein großer, luftiger Raum, in dem das Sonnenlicht, das durch Löcher in den Wänden drang flirrte und der ganzen Szene etwas Sakrales verlieh. Doch sobald der Blick auf den Boden glitt, befiel einen sofort der Eindruck, man wäre in die Behausung eines Wahnsinnigen gelangt. Der Gestank raubte ihnen den Atem. Ein Gemisch aus Moschus, Exkrementen, Verwesung und einer ekelerregenden Süße. Schwer zu sagen, was der Grund dafür war. Ob all die aufgebrochen Konserven, die von einem zähen Schimmel überwuchert wurden, oder die Kadaverreste, die zu Brutstätten für unzählige Fliegenlarven und Schaben geworden waren. Eines sprang ihnen sofort ins Auge. An einer Höhlenwand hatte jemand etwas hingeschrieben. Es war deutlich zu erkennen, dass es neuzeitlichen Ursprungs war und es handelte sich um lateinische Buchstaben. Die vier Studenten gingen etwas näher heran, um lesen zu können, was dort stand. Der Schreiber musste Ruß benutzt haben. Das Geschriebene ergab keinen wirklichen Sinn, scheinbar hatte jemand versucht eine bestimmte Lautkombination festzuhalten. Immer wieder und wieder hatte dieser jemand angesetzt, doch es war ihm wohl nie gelungen, die richtige Kombination zu finden. Die Schrift der unteren Reihen wurde zunehmend undeutlich, die Buchstaben immer krakeliger, bis sie schließlich nicht mehr zu entziffern waren und ganz aufhörten. Hatte hier jemand den Versuch unternommen, das Geräusch in Lautschrift festzuhalten? Doch das hieße auch, dass dieser jemand sich anschließend verwandelt haben musste. Wer das Geräusch hörte, zahlte den Preis dafür. Er wurde ein Urod. Thomas, Viola und Sebastian sahen einander an und dachten alle das gleiche: Professor Harris. Ihm war es zuzutrauen, dass er diese Art von wissenschaftlichem Interesse beibehalten hatte, während er dabei war, sich zu verwandeln. Doch sie würden Harris nun nicht mehr danach fragen können. Plötzlich deutete Thomas aufgeregt auf eine Stelle an der Wand, die ein Stückchen weiter rechts neben den Buchstabenkombinationen lag. Sebastian, Enza und Viola gingen näher heran und konnten nun erkennen, dass es sich um ein weiteres thrakisches Fries handelte, das auf den ersten Blick eine ähnliche Geschichte zu erzählen schien, wie das Fries, das sie bereits im Camp gefunden hatten. Enza winkte Miles und Drago herbei, die fasziniert auf das Kunstwerk starrten, das, wie sie nun sahen, die Geschichte zu Ende erzählte, die das andere Fries begonnen hatte. Sebastian knuffte Enza in die Seite und wies mit seinem Zeige- und Mittelfinger auf ihre Augen und das auf das Fries. Er wollte ihr offenbar suggerieren, dass sie sich die Bilder gut einprägen sollte, damit sie sie später aus dem Gedächtnis wiedergeben konnte. Enza nickte. Sie sah sich das Fries genau an. Es bestand aus zehn einzelnen Reliefs, die, genau wie bei dem anderen Fries, nebeneinander angeordnet waren.
    Das Erste zeigte erneut, wie etwas vom Himmel fiel, das aussah wie ein großer Stern. Allerdings waren keinerlei Figuren oder Tiere zu erkennen. Das zweite Relief glich jenem des ersten Fries, das dicke Regentropfen zeigte und üppig gewachsene Bäume. Allerdings waren außer den klar modellierten Regentropfen auch einfache Punkte zu sehen. Das dritte Relief zeigte die Quelle.

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