Urod - Die Quelle (German Edition)
wann…“ Er stockte.
„ Ich weiß es erst seit heute. Nach Enzas… Nach dem Vorfall mit Enza, ist es mir klar geworden. Total bescheuert, dass ich vorher nicht drauf gekommen bin. Vor allem, weil ich mich seit Tagen übergeben muss und mich irgendwie so wacklig fühle. Ich dachte, ich kriege 'ne Grippe.“
Sie lächelte und Thomas musste kichern. Glücklich und befreit klang dieses Kichern und er musste sich zusammen reißen, dass kein hysterisches Gelächter daraus wurde, so sehr übermannten ihn plötzlich die überschwänglichen Gefühle. Wieder drückte er sie ungestüm an sich und legte eine Hand auf ihren Bauch.
„ Ich weiß, man kann noch nichts fühlen, aber ich kann jetzt gerade nicht anders.“
Er prustete schon wieder los. Viola legte ihren Zeigefinger auf die Lippen, aber auch sie hätte am liebsten geschrien vor Glück.
„ Thomas, ich bin nicht sicher, ob es deins ist. Aber ich…“
Thomas unterbrach sie.
„ Das ist mir egal. Es ist deins. Und nur das zählt. Das und unsere gemeinsame Zukunft.“
„ Sobald wir hier weg sind, werde ich es Sebastian sagen.“
„ Denk jetzt nicht darüber nach. Lass uns nur für einen Moment so liegen und uns ausmalen, wie es sein wird. Mit uns dreien.“
Viola ließ den Kopf an seine Schulter sinken und sah, dass Enza sie beobachtete. Sie zuckte zusammen. Doch Enza wandte unbeteiligt den Blick ab. Sie würde Sebastian garantiert nichts sagen, dessen war Viola sich sicher. Viola hatte den Eindruck, in Enza wäre etwas zerbrochen, seit sie in der Höhle gewesen waren. Auch vorher war sie schon voller Trauer gewesen, aber nun war es anders. Ihr Lebenswille schien versiegt zu sein wie ein Flussbett in der Savanne, das ohne den so bitter nötigen Regen einfach austrocknet und dann ganz verschwindet. Die Vorstellung, was mit Nicole wirklich passiert war, und auch mit Lea, hatte nun einen ganz konkreten Hintergrund bekommen und das war wohl zu viel für Enza. Den ganzen Rückweg über war sie tapfer gewesen, hatte den Gedanken daran einfach zu verdrängen vermocht. Doch mit der Ruhe kamen auch die Bilder. Bilder voller düsterer Pinselstriche, beängstigend und unbegreiflich. Viola fragte sich, wie ein Mensch mit dem Wissen weiterleben konnte, das Enza nun hatte. Wie sollte sie jemals vergessen können, was ihrer Geliebten widerfahren, was aus ihr geworden war, bevor sie den Tod als letzten möglichen Ausweg wählte.
Sie schloss die Augen und versuchte all das aus ihrem Kopf zu katapultieren. Jetzt war nicht die Zeit, daran zu denken. Sie musste versuchen, ihre Freude über das, was ihr die Zukunft bescheren würde, zu kanalisieren und es als Waffe gegen die Kreaturen einsetzen. Was hatte Drago gesagt – es gab ein paar Dinge, die sie überlegen machten.
„ Willst du nicht versuchen, dich ein bisschen auszuruhen?“
Thomas' Stimme riss Viola aus ihren Gedanken. Sie schmiegte sich noch ein bisschen enger an ihn und seufzte.
„ Ja, ich weiß, ich würde auch lieber die ganze Nacht hier so mit dir liegen, aber wir müssen an morgen denken. Und danach…“
Viola löste sich widerstrebend von Thomas und wollte zu Sebastian zurückkriechen, als er sie aufhielt, ihren Kopf in seine Hände nahm und ihr behutsam einen Kuss gab, so als habe er Angst, sie zu zerbrechen.
„ Wir kriegen das hin!“ flüsterte er und Viola nickte stumm.
Wie gerne wollte sie ihm glauben, aber irgendwas sagte ihr, dass es anders kommen würde. Dass sie nicht alle davonkommen würden. Sie starrte hinaus in die Dunkelheit, und lauschte einen Moment auf den prasselnden Regen, bevor sie sich neben Sebastian hinlegte, der so ruhig schlief, als würde er nicht mal atmen. Und auch wenn sie es niemals für möglich gehalten hätte, so fielen ihr doch zwei Sekunden später die Augen zu und sie versank in einem tiefen, traumlosen Schlaf.
Thomas konnte den Blick nicht von Viola wenden. Ihre Züge, die vorher erschöpft und angestrengt gewirkt hatte, glätteten sich nun und offenbarten ihre nahezu perfekte Schönheit. Er konnte nicht fassen, dass diese Frau ihn liebte und vielleicht sogar sein Kind bekommen sollte, das nun in ihr heranwuchs. Gleichzeitig rief die Vorstellung ungemütliche Assoziationen bei ihm hervor, die er sich zunächst nicht erklären konnte. Dann fiel ihm ein, dass es etwas mit der Metamorphose der Urods zu tun hatte. Auch sie verwandelten sich. Auch bei ihnen wurde etwas Neues geboren. Aus Mensch wurde Bestie. Und mit einem Mal durchströmte ihn die Angst wie
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