Urod - Die Quelle (German Edition)
Nein, ihr seid zu müde. Ihr schafft das so nicht. Wir ruhen uns aus!“ antwortete Drago ihm.
Auch Miles schien das so zu sehen.
„ Außerdem ist es im Dunkeln zu gefährlich für uns. Sie können viel besser sehen als wir und sind uns überlegen. Sobald morgen die Sonne aufgegangen ist, ziehen wir los und sprengen das Ding.“
Die anderen waren nicht gerade glücklich über die Aussicht, eine weitere Nacht im Camp verbringen zu müssen. Auf der anderen Seite waren sie zu erschöpft, um zu widersprechen und Miles hatte recht. Sie sollten alles tun, um die Gefahr zu verringern und sie nicht noch zu erhöhen.
Viola renkte sich fast den Kiefer aus so heftig musste sie gähnen. Mit einem Mal wurde sie sich der bleiernen Müdigkeit bewusst, die ihr in den Knochen steckte. Sie brauchte Schlaf. Mehr als alles andere. Sonst würde sie schlichtweg in Ohnmacht fallen.
„ Verziehen wir uns und machen ein Nickerchen“, sagte Sebastian.
Er stand auf und zog Viola zu sich heran, aber Drago war ebenfalls aufgesprungen und erhob seine Hand.
„ Nein, wir trennen uns auf keinen Fall. Wir schlafen hier. Alle zusammen. Miles und ich werden draußen Wache halten.“
„ Was? Wozu das denn? Ich meine, wenn ihr sowieso da draußen seid, dann können wir ja wohl alle in unseren Baracken schlafen. Gestern hat das ja auch wunderbar funktioniert. Ich sehe nicht, wo das Problem ist.“
Dragos Blick verdüsterte sich. Sebastian strapazierte seine Geduld mächtig und die Iris seiner Augen wurde tatsächlich dunkler, wenn er sich ärgerte. Enza hatte das bereits vorher beobachtet und es faszinierte und ängstigte sie gleichermaßen. Miles beeilte sich, Sebastian zu erklären, warum Drago darauf bestand, dass sie alle zusammen blieben.
„ Der Unterschied zu gestern ist – sie wissen jetzt, dass ihr da seid. Wir waren in ihrer Höhle. Sie können riechen, dass wir mehr geworden sind. Bis jetzt haben sie sich vom Camp ferngehalten. Sie hatten Angst, weil wir viele von ihnen getötet haben. Aber die Aussicht auf eine proteinreiche Beute wird sie vielleicht hierher treiben. Sie warten nur auf die Dunkelheit, weil sie wissen, dass sie uns dann überlegen sind.“
Es war als würde es ein paar Grad kälter im Raum. Viola fröstelte.
„ Heißt das, sie können auf die Art denken? Wie intelligent sind sie? Wie Delphine? Gorillas? Oder was?“ fragte Thomas.
„ So genau wissen wir das nicht. Wir glauben, dass es auch darauf ankommt, wie weit sie sich entwickelt haben. Wie viel Menschliches noch in ihnen steckt. Vielleicht sind sie ja noch intelligenter, wenn die Verwandlung erst mal abgeschlossen ist, oder aber dümmer. Wir können nur Vermutungen anstellen, was das betrifft, denn im Grunde haben wir keine Ahnung, nach welchen Kriterien sie einzustufen sind. Wir gehen ja immer von uns selber und dem, was wir kennen aus.“
Thomas' Besorgnis verstärkte sich nach Miles Worten noch.
„ Aber sie reagieren auf Vieles so wie Tiere. Sie sind viel stärker mit der Natur verbunden. Viel mehr mit ihr im Einklang. Wir Menschen sind ihnen zum Teil überlegen, aber in vielen Dingen eben auch nicht. Wenn es zum Kampf kommt, müssen wir das nutzen, was sie nicht haben. Selbstbeherrschung. Sie folgen immer ihren Instinkten. Egal, was passiert. Nur so können wir sie überlisten“, sagte Drago.
Das war etwas, woran sie sich klammern konnten. Sie waren ihnen überlegen, wenn es ihnen gelang, sich selbst im Griff zu haben. Etwa so wie dem Flucht-Impuls zu widerstehen, wenn man einem Raubtier gegenüber stand. Verharrte man ganz still, hatte man gute Chancen, dass es einen in Frieden ließ. Lief man davon, weckte man dessen Jagdinstinkt und die eigenen Überlebenschancen sanken gen Null. Die Frage war nur, hatte man die Nerven, einfach still zu stehen angesichts eines Raubtieres?
„ Wie ist es bei dir?“ fragte Sebastian plötzlich in die Stille hinein.
„ Was meinst du?“ fragte Drago.
„ Ich meine deine Selbstbeherrschung“, antwortete Sebastian.
Dragos Gesicht war undurchdringlich. Aber Sebastian machte keinen Rückzieher.
„ Immerhin müssen wir uns hundertprozentig auf dich verlassen können.“
Alle blickten gespannt zu dem Bulgaren, der plötzlich ein amüsiertes Glucksen hören ließ. Er schlug Sebastian mit Wucht auf die Schulter, sodass dessen Knie nachgaben.
„ Ich an deiner Stelle würde schon auf meinen Hintern aufpassen. Kann gut sein, dass ich mir Stück davon genehmige!“ sagte er und lachte laut auf.
Sebastian
Weitere Kostenlose Bücher