Uschi Zietsch
etwa eineinhalb Jahren«, antwortete Kelric. »Fandor macht sie schon Ende nächsten Jahres, Sie sagten mir, ich sei zwar fertig ausgebildet, aber ich müsste siebzehn sein, um die Prüfung ablegen zu dürfen.«
»Ja, das ist Gesetz«, nickte Teng. »Da gibt es nie eine Ausnahme. Aber das macht ja nichts, du hast doch Zeit. Man darf nichts übereilen.«
»Weißt du eigentlich, was da geschieht?«, fragte Kelric.
»Nein. Ich weiß nur, dass du dazu für einige Zeit ins Untere Gewölbe musst, das ebenso wie die Türme von Unbefugten nicht betreten werden darf. Du wirst ja sehen.«
Kelric nickte ihm zu und setzte seinen Weg fort. Bei sich dachte er: J a, wirklich, fast ein Mann. Fandor hat schon eine tiefe Stimme und einen Bart; bei mir rutscht der Bass manchmal noch ein wenig nach oben. Er schüttelte den Kopf, während er weiterging. Wie schnell die Jahre vergingen!
Er erinnerte sich noch so gut an seine Anfangszeit in Laïre; und wie er später, so mit zwölf Jahren, gleich allen seinen Freunden hochnäsig auf die Neuankömmlinge hinabgesehen hatte, jedoch selbst von den Älteren kaum beachtet wurde. Er wusste noch alle Missgeschicke und Streiche, Ängste und Träume.
Nun brauchte nur noch ein Jahr zu vergehen, und ehe er sich versah, war auch dies vorbei, und Fandor saß blass und unruhig bei ihm im Zimmer. In letzter Zeit hatten sie oft von jenen Dingen gesprochen, die für alle jungen Männer von größter Wichtigkeit waren, denn plötzlich waren ihre Körper erwachsen und behaart, die Männlichkeit war voll erwacht; das weibliche Personal wurde mit ganz anderen Augen betrachtet und im Unterricht die menschliche Entwicklung erörtert.
»Ich fürchte mich«, gestand Fandor leise, »wenn ich mir vorstelle, dass ich dann niemals ... ich meine, ich werde diese Gefühle überhaupt nie kennenlernen.« Er blickte Kelric an. »Kannst du dir das vorstellen, dein Leben lang keine Frau berühren zu dürfen?«
»Nein, das kann ich nicht«, gab Kelric zu. »Dazu schlafe ich in letzter Zeit viel zu schlecht. Ich weiß aber nicht, wie die Zauberer das durchhalten. Sie scheinen nicht einmal Schwierigkeiten zu haben.«
»Vielleicht«, murmelte Fandor, »vielleicht ist das der Grund ihrer Trauer. Man bekommt irgendeinen Ekel oder so etwas. Auf jeden Fall kann ich nicht verstehen, warum das überhaupt sein muss. Und meinen schönen Bart muss ich auch abrasieren. Manchmal hab ich richtig Angst und will weglaufen.«
Kelric tröstete: »Das verstehe ich. Mir wird auch schon ganz schlecht, wenn ich daran denke, dass ich in einem halben Jahr an der Reihe bin. Aber schau, dafür darfst du dann endlich richtig zaubern. Ich habe diese ewige Theorie schon verdammt satt. Und wenn ich soweit bin, sind wir wieder zusammen.«
Fandor sah ihn traurig an. »Wir werden lange Zeit nicht mehr miteinander sprechen, Kelric. Du weißt, dass das nicht üblich ist. Und vielleicht will ich es ja auch gar nicht. Keiner von den Anwärtern wollte je mit uns sprechen, wir sahen sie immer nur von ferne, und ich werde bestimmt so wie sie, auch mein Aussehen.«
»Sei doch nicht so niedergeschlagen!«, rief Kelric erschrocken. »Du sprichst mit Grabesstimme! Was sollen sie dir schon tun? Du weißt doch, wie die Zauberer sind. Sie sind gar nicht fähig, grausam oder böse zu sein, von einer Ausnahme abgesehen, und sie lieben uns wie ihre Kinder. Also beruhige dich und denk an andere Dinge ...« Er grinste plötzlich. »Aber nicht etwa an ein hübsches Mädchen!«
Fandor stimmte in sein Lachen ein; seine Augen begannen schwärmerisch zu leuchten, als er dann seufzte: »Aber stell dir das doch vor ... in einer so schönen warmen Nacht ...«
»Hör auf!«, lachte Kelric. »Ich denke an fast gar nichts anderes mehr. Das ist eben so, wenn man erwachsen wird, wie Celion zu sagen pflegt und dabei grinst er verschmitzt und eröffnet uns, dass wir ab sofort im Speisesaal nur noch von Männern bedient werden und unter strengster Aufsicht stehen. Das gehört eben zum Unterricht, oder?«
Sie kicherten wieder; Fandor war getröstet und sie unterhielten sich noch bis tief in die Nacht, als er sich endlich erhob, und schlagartig wurde die Stimmung wehmütig. Kelric stand ebenfalls auf, und sie sahen sich in die Augen, bis sie sich schweigend umarmten.
»Leb wohl, Kelric!«, sagte Fandor. »Es war eine wunderbare Zeit, und du warst der allerbeste Freund.«
Kelric drückte ihm fest die Hand. »In ein paar Jahren, wenn der Ernst der Türme hinter uns liegt, werden
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