Uschi Zietsch
Kampf hatte tiefe Spuren hinterlassen; am meisten aber hatte er sicherlich mit seinem Pflichtbewusstsein zu kämpfen, gegen das höchste Gebot Laïres verstoßen zu haben. Ein Zauberer durfte nicht auf diese Weise lieben. Für ihn gab es nur den Dienst an den Menschen. Kelric hatte alles aufgegeben, woran er glaubte, wofür er gekämpft hatte, indem er gestand, dass er Gorwyna wie ein Mann liebte, und sich ihr offenbarte.
Was habe ich ihm angetan? , dachte sie voller Selbstvorwürfe. Ich dachte nur an mich, weil ich wollte, dass er mich liebt. Und dadurch habe ich ihn zerstört. Und ich habe Lerranee vielleicht den größten Zauberer genommen. Wie konnte ich nur so dumm sein ...
Voll verzweifelter Sehnsucht wartete sie auf einen Gedanken von ihm, der sie zurückrief, der alles klären und lösen würde; dabei sagte ihr der Verstand, dass er das niemals tun würde. Seine Gedanken waren auf ganz andere Dinge gerichtet.
Als Gorwyna schließlich zurückkehrte, stand Kelric aufrecht da und betrachtete den Himmel. Sie sprach nicht, sondern blieb schweigend stehen und wartete. Die Sonne begann vom Zenit allmählich den Abstieg, als immer noch keine Bewegung in dem Zauberer war, er schien nicht einmal zu wissen, dass sie zurück war.
Gorwyna wusste, dass sie eine Entscheidung treffen musste, und als ihr klar wurde, welche es sein musste, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie drehte sich um, damit sie die Fassung nicht endgültig verlor, und überlegte hilflos, ob sie noch eine der Decken mitnehmen durfte, und ob sie schweigend gehen sollte, ohne zurückzublicken, oder etwas zum Abschied sagen.
In diesem Augenblick fühlte sie Kelrics Arme um sich, er umschlang sie von hinten und zog sie fest an sich. Sie rührte sich nicht und weinte still. Nach einer Weile drehte er sie zu sich um, legte seine Hände an ihr nasses Gesicht und hob es zu sich.
»Warum bist du zurückgekommen?«, fragte er.
»Ich hatte es gar nicht vor«, schluchzte sie. »Aber ich wollte dich wenigstens noch einmal sehen, und ich glaube, ich brauche eine Decke für unterwegs, und ein paar Kleidungsstücke habe ich in der Aufregung auch vergessen.«
»Dann ist selbst wahre Liebe also wankelmütig«, fuhr er ruhig fort. »Und sie kann nicht allzu stark sein, wenn sie sich so leicht von verwirrten Gefühlen beeinflussen lässt.«
»Kelric!«, wimmerte sie.
»Du bist noch so jung«, sagte er zärtlich. »Deine Gefühle sind heiß und stürmisch. Doch so bin ich nicht. Wenn du bei mir bleiben willst, musst du lernen mir zu vertrauen. Unsere Liebe hat keine leichte Zukunft, wie du weißt, uns trennt einfach zuviel, vor allem das Alter. Ich weiß nicht, wie es ist, eine Frau an meiner Seite zu haben, und verhalte mich deswegen sicher noch oft falsch. Du bist eigensinnig, verwöhnt und temperamentvoll, wankelmütig und impulsiv, aber ich liebe dich dafür. Ich liebe alles an dir, auch wenn ich vieles nicht verstehen kann, weil ich ganz anders gelebt habe als du. Manchmal bin ich mit meinen Gedanken dort, wohin du mir nicht folgen kannst, und ich ... habe eine Aufgabe zu erfüllen.«
»Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich ... ich könnte es nur nicht ertragen, wenn deine Schuldgefühle eines Tages über deine Zuneigung siegen. Du hast recht, ich bin eigennützig, und ich dachte bisher nur an mich und das, was ich wollte. Ich hatte nicht bedacht, was ich dir damit antue. Ich zertrümmere dein ganzes Leben ...«
»Und nachdem dies bereits geschehen ist, willst du mich verlassen, ohne die Früchte deiner Arbeit zu genießen?«, vollendete er den Satz.
»Ich wollte ...«, fing sie an, dann verstummte sie verwirrt.
»Närrisches Kind«, brummte er. »Du hast mich so weit gebracht, eine Entscheidung zu treffen, und nur weil dich plötzlich Schuldgefühle plagen, willst du sie mir wieder abnehmen? Wofür dann alles? Ich verstehe nichts von Beziehungen und gebe zu, dass ich unbeholfen bin. Aber was ich getan habe, geschah im vollen Bewusstsein, und natürlich bin ich mir auch über die Folgen im Klaren. Fehler sind immer möglich, aber dies hier ist keiner. So viel weiß ich über die Liebe, dass sie niemals ein Fehler ist. Du bist alles für mich, Gorwyna, und mir würde das Herz brechen, wenn du mich jetzt verlässt.«
Sie öffnete die Lippen, doch bevor sie etwas sagen konnte, lag plötzlich sein Mund auf ihrem, und er küsste sie. Gorwyna erinnerte sich unwillkürlich an Kelrics Offenbarung, zu der auch jener hastige Kuss vor langer Zeit gehörte,
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