Utopia 2050
»Haben Sie Nachsicht mit mir. Früher war ich daran gewöhnt, von niemandem überwacht zu werden.«
»Sie meinen, bevor Sie zum R-Meister wurden?« vergewisserte sich St. Onge. »Ich bedauere, diese Illusion zerstören zu müssen, aber schon damals mußten Sie diese und jene Formulare ausfüllen, beim Ankern in einem Hafen oder beim Auslaufen, bei der Belastung Ihrer Grundversorgung, bei Einkäufen und ähnlichem. Außerdem haben alle Bürger, mit denen Sie in Kontakt traten, ihre eigenen Formulare ausfüllen und Aufzeichnungen anfertigen müssen. Ich hege keinen Zweifel daran, daß der Zentralkomputer uns Daten von jedem Tag Ihres Lebens seit Ihrer Kindheit vorzulegen vermag. Soll ich sie einmal anfordern? Es wäre sicherlich amüsant für Sie.«
»Nein«, sagte Et. »Danke.« Er lockerte den Kragen. In dem Raum war es wärmer als er bei seiner Ankunft bemerkt hatte. »Sie wollten mir den Grund dieser Zusammenkunft mitteilen.«
»Ach so, ja«, meinte St. Onge. »Wie Sie wissen, erfüllen wir R-Meistern so gut wie jeden Wunsch. Aber wir sind dafür verantwortlich, daß Gelder nicht für Zwecke vergeudet werden, die dem Interesse eines R-Meisters fremd sind, die außerhalb seiner Bedürfnisse und Wünsche liegen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber der Mann, den Sie – an Stelle von Hoskides – zu Ihrem Leibarzt gewählt haben, Dr. Morgan Carwell, ist Mitglied einer Organisation, die sich Menschen Guten Willens nennt. Das gleiche gilt für Maea Tornoy. Und natürlich hat Meister Lee Malone seine Schwäche für diese Organisation noch nie verborgen gehalten.«
»Befürchtet man, daß ich in die Gesellschaft gefährlicher Personen geraten sei?« fragte Et. »Ist es das?«
»Gefährlich?« St. Onge lachte. »Guter Gott, nein! Subversive Organisationen sind heutzutage eine Unmöglichkeit. Das WK erfährt nicht nur unverzüglich davon, wenn jemand sich irgendeiner Organisation anschließt, sondern auch vom täglichen Verhalten dieser Person, so daß es in dem Moment eingreifen kann, wenn sie sich zu einem Gesetzesverstoß anschickt.«
»Dann ist es vernünftig, nicht gegen die Gesetze zu verstoßen«, stellte Et fest.
»Natürlich, und genau deshalb unterlassen diese merkwürdigen Außenseiter es«, sagte St. Onge. »Solange sie nicht die Gesetze brechen, sind sie harmlos, und wir scheren uns nicht um sie.«
»Wenn sie so harmlos sind, warum unterhalten wir uns dann über sie?«
»Nun, ich möchte Ihnen lediglich zur Vorsicht raten«, sagte St. Onge. »Wie erwähnt, ein R-Meister ist keinen Beschränkungen ausgesetzt. Andererseits – und ich glaube, meine Sektion denkt dabei an Meister Malone – können wir nicht gestatten, daß andere Personen oder Gruppen von Personen in den Genuß von Zuwendungen kommen, auf die sie kein Recht besitzen, indem sie die Finanzen eines R-Meisters anzapfen. Ich bin überzeugt, daß Sie mich richtig verstehen ... Ist etwas? Geht es Ihnen nicht gut?«
»Es ist sehr warm, oder?« Et hatte den Eindruck, daß die Temperatur im Raum ständig stieg. Er fühlte sich unbehaglicher als je zuvor, fiebrig und ermattet. In seinen Schläfen dröhnte der Kopfschmerz wie mit Hammerschlägen.
»Tatsächlich?« St. Onge sprang auf. »Das ist mir entgangen.« Er trat ans Fenster und drückte einen Knopf. Der Vorhang aus aufsteigender Warmluft versiegte, und ein kühler Wind wehte herein. Im ersten Moment empfand Et ihn als angenehm, doch dann begann er unwillkürlich zu zittern. »Herrgott, Ihnen geht's wirklich nicht gut«, meinte St. Onge. Er musterte Et, dessen Zähne klapperten. »Am besten fliegen wir Sie sofort zurück zur Insel. Sie sollten Dr. Hoskides endlich gestatten, Sie mit den richtigen Medikamenten zu behandeln.«
»Nein, danke«, sagte Et, während er sich unsicher erhob.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen zur Tür ...« In diesem Augenblick betrat Cele Partner den Raum. »Oh, Cele!«
»Et!« rief sie. »Was ist los?« Sie lief hinzu und stützte ihn mit beiden Armen.
»Erst wurde es ihm heiß, dann kalt«, berichtete St. Onge. »Könntest du dich darum kümmern, daß er wohlbehalten in seine Maschine kommt? Ich habe eine Verabredung, ich kann das Büro nicht verlassen.«
»Natürlich«, sagte Cele Partner. Sie half Et aus dem Büro, führte ihn ein Stück weit den Korridor entlang und in einen Raum, wo er sich auf eine Couch ausstreckte. Er fror und schwitzte abwechselnd. Wenig später erschien sie wieder in Begleitung zweier Inspektoren, die eine Antigrav-Bahre mit
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