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v204640

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Titel: v204640 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
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Ausschnitt so verfremdet wiedergegeben wird, dass man das ganze Motiv nie errät. Mein Blick wanderte von rechts nach links, dann in Richtung meiner Füße. Und plötzlich fielen mir die berühmten Schuppen von den Augen: Ich lag in einem Flugzeug auf dem Boden. Ich erinnerte mich an die Maske in Markus’ Händen. Genau, wo war er? Meine Güte, was hatte er heute mit mir vor? Langsam setzte ich mich auf. Abgesehen von meiner mentalen Verwirrung ging es mir gut.
    Durch eine geöffnete Schiebetür linker Hand konnte ich Markus in ein Gespräch vertieft sehen – mit einem drahtigen, kleinen Mann im Overall. Sie standen auf einer Rasenfläche. Wir flogen also nicht. Die beiden schienen sich gut zu kennen. Der Kleine lachte, klopfte Markus auf die Schultern und verschwand aus meinem Blickfeld. Markus sah in meine Richtung und kam rasch zu mir ins stehende Flugzeug geklettert.
    »Was hast du vor?«, schrie ich. »Wieso hast du mich betäubt? Bist du wahnsinnig?«
    Sein Grinsen hätte man gemein nennen können.
    »Hat Wanda dir nicht erzählt, dass Schmerz und Angst austauschbar sind? Du erträgst Schmerz nicht gerne und ich möchte dir keinen zufügen. Angst ist besser, viel besser. Du wirst später deinen Enkelkindern davon erzählen können.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich nehme dich auf einen Tandemsprung mit. Ich bin ein alter Hase. Aber für dich dürfte es aufregend werden.«
    Ich sank wieder rücklings zu Boden und brach in schallendes Gelächter aus. Da hatte er sich aber geschnitten! Ich vertrage Höhe überhaupt nicht. Schon auf Aussichtstürmen wird mir schwindlig. Mehr als drei Meter über dem Boden sind bei mir nicht drin. Höher bringen mich keine zehn Pferde. Ich richtete mich wieder auf und machte Anstalten auszusteigen.
    »Spring allein, ich warte hier auf dich. Das mache ich nicht mit.«
    Ehe ich es mich versah, lag ich ausgestreckt auf dem Rücken, Markus in ganzer Länge auf mir. Unbeirrt fuhr er fort:
    »Ich habe dir eine Spritze gegen Übelkeit gegeben.«
    Ich erstarrte.
    »Du hast was? Was hast du mir sonst noch verabreicht?«
    »Nichts. Nur das Gas und die Spritze.«
    »Ich will hier raus!«
    »Nein.«
    Ich bekam Panik.
    »Schrei ruhig, es hört dich doch keiner bei dem Motorenlärm. Und Heinz wird nicht eingreifen. Mit dem ist alles abgesprochen.«
    Der Lärm hatte zugenommen, ebenso das Gerüttel. Ich konnte das Ganze immer noch nicht glauben, aber Markus lag wie ein Felsblock über mir und verhinderte jeden Fluchtversuch. Ich unternahm verzweifelte Anstrengungen, ihn abzuschütteln. Ich brüllte wie am Spieß, beschimpfte ihn, versuchte mein Knie hochzuziehen und in seinen Schritt zu rammen. Es war mir egal, ob ich ihm wehtat. Ich hätte ihn auch gebissen, wenn er mir nicht den Mund mit seinem verschlossen hätte, meinen Kopf gegen einen Hartplastikrost gepresst. Eine plötzliche Veränderung ließ mich den ungleichen Kampf aufgeben. Das Schütteln und Hoppeln hatte aufgehört. Die Maschine lag ruhig wie ein Brett. Allerdings in Schieflage. Wir flogen. Markus rührte keinen Muskel, sah mir nur triumphierend in die Augen.
    »Mistkerl! Ich bleibe hier liegen. Irgendwann werden wir ja landen müssen.«
    »Das könnte dir so passen. Sobald wir waagerecht fliegen, ziehst du deinen Sprung-Overall an.«
    Er erhob sich und griff nach einem Anzug in knalligem Orange. Er zog ihn über seine Kleidung, setzte sich und tauschte die leichten Segeltuchschuhe gegen ein Paar martialisch wirkende Springerstiefel aus. Ich begann ihn zu hassen.
    »Ich habe keine Stiefel«, unternahm ich einen kläglichen Versuch.
    »Ich federe dich mit ab.«
    Ich hielt still, als er auch mich in meinen Overall steckte, wie man eine Puppe anzieht. Ich schloss die Augen und nahm mir vor, mich in einen geistigen Zustand zu versetzen, in dem mir alles egal wurde. Sich einfach auf etwas konzentrieren, das nichts mit der Gegenwart zu tun hatte. Verzweifelt bemühte ich mich, die nötige Konzentration für mein nächstes Geburtstagsmenü aufzubringen.
    Meine künstliche Gelassenheit war in dem Augenblick wie weggeblasen, in dem Markus weiter vorne die Flugzeugtür aufriss. Mein schriller Schrei und die angstgeweiteten Augen lenkten ihn einen Moment ab. Ein kurzer Blick an ihm vorbei, auf die Wolkenschleier hinter ihm, und ich drehte mich schaudernd auf den Bauch, das Gesicht in den Armen vergraben. Sein Griff an meiner Schulter bewirkte nur, dass ich mich in den Plastikrost krallte und versuchte, mit ihm zu verschmelzen. Er zog mich

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