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Vaclav und Lena

Vaclav und Lena

Titel: Vaclav und Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haley Tanner
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sonst?
    »Wie geht es dir?« Sie lächelt übers ganze Gesicht.
    »Mir geht’s gut. Wie geht’s dir?« Das Gespräch scheint auf Gleisen zu laufen, die keiner von ihnen sehen kann, es läuft von allein.
    »Mir geht’s auch gut. Heute ist mein Geburtstag.«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Ja?«
    »Ja. Natürlich. Klar.«
    |255| Vaclav und Lena haben sich das Entscheidende mitgeteilt, was beide vom jeweils anderen erfahren möchten, aber nicht fragen konnten: Hast du an mich gedacht? War ich dir so wichtig wie du mir? Habe nur ich an dich gedacht? Oder bist du die ganze Zeit bei mir gewesen?
    Natürlich waren sie die ganze Zeit zusammen. Auch wenn sie nicht hinschauten, sie mussten es nie prüfen. Sie war immer bei ihm, er war immer bei ihr. Außerhalb ihres Schlafzimmers, irgendwo in der Dunkelheit, wie der Mond.
    »Wo bist du?«, sagt Vaclav. Die Frage kommt Lena seltsam vor.
    »Zu Hause.« Da wird ihr klar, dass er keine Ahnung hat, wo sie lebt, gar keine. »Park Slope«, sagt sie. Sie weiß, wo er wohnt.
    »Du wohnst immer noch in Brooklyn?«, sagt er, verblüfft, dass es so nahe ist.
    »Ja.«
    »Auf welcher Schule bist du?«
    »Berkeley Carroll School. Eine ganz kleine Schule«, sagt sie und entschuldigt sich schon im Voraus, dass er ihre Schule vielleicht nicht kennt, sie will im Gespräch keine Verunsicherungen entstehen lassen. Vaclav kennt die Schule aber. Viele seiner Freunde wohnen in dem Viertel, und auf dem Weg zum nahe gelegenen Coffeeshop geht er immer an ihr vorbei.
    »Kenne ich. Ich komme dauernd dran vorbei –
Ozzie’s
ist gleich um die Ecke. Ich kann’s nicht fassen, dass ich dich da nicht einmal zufällig getroffen habe.« Er ist erstaunt, dass er die ganze Zeit nur wenige Blocks von Lena entfernt war, dass er an ihrer Schule vorbeigelaufen ist, während sie drinnen saß und |256| gelesen hat oder zum Sportunterricht ging und Infinitesimalrechnung gelernt hat. Sie war die ganze Zeit zum Greifen nah.
    »Ich geh immer zu
Ozzie’s
«, sagt sie und fragt sich, ob sie ihn vielleicht gesehen hat, ohne es zu wissen, aber das scheint unmöglich, »wo gehst du zur Schule?«
    »Ich geh auf die Brooklyn Tech.«
    »Oh, toll. Gut gemacht!«, sagt sie, Brooklyn Tech ist nämlich eine sehr beliebte Schule, man wird dort nicht leicht aufgenommen. Es ist eine öffentliche Schule für geniale Senkrechtstarter in Naturwissenschaften, und als sie darüber nachdenkt, ist sie nicht überrascht, dass er dort ist.
    »Oh, danke. Etwas weit von zu Hause, aber ich bin gern dort.«
    »Möchtest du, dass wir uns treffen?«, sagt sie.
    »Ja.«
    »Montag nach der Schule, um halb vier.«
    »Einverstanden.«
    »Ich treffe dich an deiner Schule. Genau gegenüber, am Fort Greene Park«, sagt sie.
    »Okay.«
    »Okay.«
    »Lena«, sagt er, und ihren Namen zu sagen ist wie einen Purzelbaum schlagen.
    »Vaclav«, sagt sie, und seinen Namen zu sagen ist wie in der Öffentlichkeit singen.
    »Ich bin wirklich froh, dass du angerufen hast.«
    »Ich auch.«
    »Ich auch.«
    »Okay, bye.«
    »Bye.«
    |257| Und beide sitzen still in ihrem Schlafzimmer und warten darauf, dass ihr Herz aufhört zu schlagen oder zerspringt, und sie fragen sich, warum sie sich denn nicht sofort, noch mitten in der Nacht, treffen. Warum eigentlich nicht? Alles, alles ist möglich. Die Welt war auseinandergefallen und hat sich wieder zusammengefügt. Die Welt macht ein Geräusch wie ein Becken tak dum dum takatak dum takatak. Schwierig, bei all dem Lärm im Universum zu schlafen.
    Am Morgen beim Frühstück mit den jeweiligen Müttern, Müttern, die so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht, dünn und fett, blond und dunkel, leicht und schwer, sitzen Vaclav und Lena mit großen Augen da. Sie erzählen ihren Müttern nichts über den Telefonanruf und erwähnen auch nicht den konkreten Plan, sich zu treffen. Warum? Warum belügen sie ihre Mütter? Warum halten sie etwas geheim, das man eigentlich nicht geheim halten muss? Vaclav und Lena wissen es nicht. Aber sie bewahren ihre Geheimnisse in dem abgeschlossenen Raum zwischen ihren zusammengelegten Handflächen, sie möchten sie instinktiv abschirmen wie die winzigen, glänzenden Frösche, die man in nassem Gras findet, aber gleichzeitig wollen sie das Geheimnis, etwas so Aufregendes und Sensationelles, auch mit jemandem teilen. Im Geist gehen sie, sie können nicht anders, immer wieder dasselbe durch, sprechen die Worte lautlos aus: Rate mal, mit wem ich gestern Abend geredet habe, du wirst es nicht glauben, warte

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