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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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jemand im Flüsterton: »Rosie. Rosie! «
    Erschrocken wirbelten sie herum. Das Flüstern kam von den Uferbänken, hinter denen sich eine Flussbiegung versteckte. Doch es war keiner da … Ihrem Instinkt folgend tauchte sie schräg in die Schattenreiche ein. Sofort entdeckte sie unterhalb der Senke den Scheitel eines Kopfes, ein Schimmern von Wasserpesthaaren und Libellenflügeln …
    »Sam«, zischte Rosie, aber er hatte es auch gesehen. Sie rannte los und sprang die steile Uferböschung hinunter, fand kaum Halt an den Grasbüscheln und wäre fast in den Fluss gefallen. Sam rutschte neben ihr nach unten.
    Sie trafen Faith in ihrer elfischen Gestalt an, die sich allem Anschein nach voller Angst hinter abgestorbenem gelbem Schilf versteckte. Sie hatte Heather bei sich. Das Kind in seinem Pyjama hatte menschliche Gestalt, doch ihre rosafarbene Babyhaut schillerte in allen Farbtönen. »Wir spielen mit Daddy Verstecken«, flüsterte Faith und deutete mit ihrem glänzenden Schuppenfinger auf ihre Tochter.
    »Wie bitte?«, hakte Sam nach.
    »Er tut so, als wäre er wütend, und wir tun so, als hätten wir Angst. Nicht wahr, Heather?«
    Das kleine Mädchen nickte mit großen Augen. Offenbar hatte sie ihr die Geschichte abgenommen. Rosie war entsetzt. »Was zum Teufel geht hier vor?«, flüsterte sie und zog Faith herum, um ihr in die Augen zu schauen.
    Als sie sich von Heather abwandte, spiegelte Faiths Wassergeistgesicht nackte Angst. Ihre Worte sprudelten so schnell und leise aus ihr heraus, dass Rosie sie kaum verstehen konnte. »Matt kam gestern Abend aus dem Krankenhaus nach Hause. Er hatte eine Mordswut im Bauch. Er tobte wegen Sam und Alastair und allem anderen. Ich versuchte ihn zu beruhigen, aber er stieß mich weg – noch nie habe ich ihn so erlebt. Heather muss es gehört haben, denn sie fing zu weinen an, und ich brachte sie nach unten – ich dachte, wenn sie da ist, würde Matt ruhiger werden. Aber keineswegs. Ich flehte ihn an, doch vor seiner Tochter nicht derart herumzubrüllen, aber er wurde immer wütender und sagte, es läge an mir, dass sie Angst habe, nicht an ihm. Also nahm ich sie auf den Arm – und er ging auf uns los. Ich weiß nicht, was er vorhatte.«
    »O mein Gott, Fai …«
    »Ich glaube, er wusste es selbst nicht. Ich bekam Panik und tauchte in die Schattenreiche ein – ich konnte nicht anders – und natürlich sah er, sobald ich das tat, meine Veränderung. Sah Heather, wie sie tatsächlich ist. O Rosie, dieser Ausdruck auf seinem Gesicht … Wenn ich ihn zuvor schon als wütend empfunden hatte, dann war das nichts gegen das, was folgte. Es war, als hätte der letzte Mensch, dem er in seinem Leben vertraute, ihn nun auch noch verraten.«
    »Dann bist du weggerannt?«
    »Viel schlimmer.« Rosie erhob sich und sah sich ängstlich um. »Er folgte uns in die Schattenreiche. Auch er veränderte sich. Aber solange wir im Wasser bleiben, kann er uns nicht sehen.«
    »Ihr habt euch die ganze Nacht über versteckt?«
    »Die längste Zeit … O mein Gott, er kommt.« Faith glitt wie ein Fisch zurück in den Fluss und zog Heather mit sich. Das Wasser war flach, aber sie legten sich beide flach auf den Bauch zwischen die glänzenden Steine und das sich kräuselnde eisige Wasser. Sie waren vollständig untergetaucht. Rosie sah wie gelähmt zu und dachte, dass Heather ertrunken sein musste – aber dann verschwanden sie. Wurden zu Wasserpest.
    Sam packte Rosie am Arm, als wollte er sie daran hindern, aufzuspringen, was sie keinesfalls vorhatte. Über ihnen hörten sie den Atem einer Kreatur, der grollend durch einen nicht menschlichen Kehlkopf und ein tiefes, mit Zähnen besetztes Maul zu ihnen drang.
    Sie spähte über den Rand der Böschung und sah, wie sie über ihnen den Hügel absuchte.
    Es war ein Tier, das auf seinen Hinterbeinen ging, ein Raubtier wie ein Löwe, aber merkwürdiger als jedes Geschöpf, das Rosie je gesehen hatte. Ein Balg aus dichtem Fell bedeckte es, Sandgold gestreift mit Schieferblau, das an den Gliedmaßen fast ins Schwarze überging. Seine schweren Vorderpfoten hielt es wie Menschenhände. Die Gesichtsknochen waren lang und schwer, löwenartig, doch noch immer mit menschlichen Zügen, das Haar eine lange, dicke Mähne. Der wilde Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen und nahm Witterung auf.
    Rosie betrachtete es gebannt. Matthew? Sie erinnerte sich an die deformierte Fellhand, die sie einmal kurz gesehen hatte. Die Pfoten waren nun in voller Pracht zu sehen,

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