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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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wie Moleskin mit einem fransigen Rand, der über violette Lamellen hing.
    »Nein, wusste ich nicht.«
    »Ich habe schon mit allen möglichen Pflanzen experimentiert.« Jon lehnte sich an einen Baum und stützte einen Fuß auf einen bemoosten Stein. »Hast du dich nie gefragt, warum ich auf der Schule so beliebt war? Ich hatte immer die besten Drogen.« Er grinste und seine Zähne leuchten weiß im Dunkel. »Wenn wir schon nicht physisch die Großen Tore durchdringen können, dann sollten wir wenigstens in der Lage sein, unseren Geist und unsere Essenz hindurchzuschicken.«
    »Hat Lawrence dich je dabei erwischt?«
    »Noch nicht. Sam allerdings schon, und er ist ausgerastet, aber er kann mich nicht davon abhalten. Es ist unser Geburtsrecht, Luc. Mein Vater kann nicht über die inneren Reiche verfügen, sie gehören ihm nicht. Wir sind Schamanen und wir können unseren eigenen Zugang zu ihnen finden.« Er brach ein Stück von dem Pilz ab und hielt es ihm lockend hin. »Wie sieht es aus, bist du bereit für einen neuen Versuch?«
    Lucas sah ihn an und sagte nichts. Die Angst wand sich in ihm wie eine Schlange.
    »Menschenwesen kann man als Seher nicht gebrauchen, und ich selbst bin auch nicht viel besser«, fuhr Jon fort, »aber du bist was Besonderes. Ich weiß, dass dir der Durchbruch gelingen wird, wenn man dir die richtige Substanz, die richtige Anleitung gibt. Ich glaube an dich. Bleibt das unser Geheimnis?«
    Luc holte tief Luft. Dann legte er die Angst wie einen Umhang ab und warf sie weg. Er wollte es. Er wollte, dass sein neuer Bruder ihn akzeptierte, wollte Jon beweisen, dass er mutig war und ihn nicht enttäuschen würde. Das im Entstehen begriffene Geheimnis zwischen ihnen war das Wunderbarste, was er je erfahren hatte. Die Welt bebte vor Zauberkraft.
    Er schaute tief in Jons Augen und ließ sich dann das schwarzviolette Fleisch geben. »Traumblätterpilz?«
    »Der hier heißt Teufelsschlafmütze«, antwortete Jon mit einem Lächeln, als Jon den schwammig und bitter schmeckenden Pilz auf seine Zunge legte und ihn, ohne zu zucken, langsam kaute und hinunterschluckte. Nach dem Sturm war nichts mehr, wie es vorher war. Er zog vorüber, aber die Wahrheit hatte Rosies Welt eine andere, spitzere Form verliehen.
    Jessica liebte Auberon und doch hatte sie mit einem anderen Mann geschlafen. Während Rosie noch ein Kleinkind war, hatte ihre Mutter sich aus nur ihr bekannten Gründen von Auberon abgewandt und den kalten, verrückten Lawrence umschlungen. Lawrence und Jessica nackt wie Marmor im frostigen Mondlicht, leidenschaftlich ineinander verschlungen … Rosie wand sich, so peinlich war ihr die eigene Vorstellungsgabe. Warum, warum?
    Alles war wieder friedlich, aber die Anspannung, die man begraben hatte, war wie eine physische Kraft, die sie hinausdrängen wollte. Also unternahm Rosie in der Dämmerung lange Wanderungen ums Dorf, erklomm die Hänge, bis sie zitternd auf den High Warrens stand und dem Wind trotzte. Von hier oben konnte sie ganz Cloudcroft sehen, seine Häuser, die sich scheinbar planlos entlang der Straßen reihten, die sich in allen Richtungen in die Hügel von Charnwood hinaufwanden. Das Dorf war ein verschwommener dunkler Fleck mit Lichtpunkten, die Wälder und Hügel eine undeutliche blaugraue Masse. Heute Abend hing der Himmel tief und wurde am Horizont von den Lichtern Leicesters, Loughboroughs und Ashvales orange beleuchtet.
    Sie war in Sorge, Alastair zu viel anvertraut zu haben. Drei große Wodkas und schon waren ihr Wörter wie Elfenwesen herausgerutscht. Alastair war ein aufmerksamer Zuhörer gewesen, und das hatte ihr geschmeichelt, zumal Jon ihr seine Aufmerksamkeit versagte. Ihre Sorge war nur, Matthew könnte sie in Stücke reißen, weil sie zu viel verraten hatte.
    Sie atmete ein. Die Luft roch herb wie Metall, die Nacht war kalt, wild und dräuend. Sie spürte die geschlossenen Tore. Zwar hätte sie nicht benennen können, was genau sie fühlte, aber es war wie ein Druck, ein blinder Fleck in der Wahrnehmung, Leere, wo etwas Reichhaltiges und Festes hätte sein sollen.
    Die großen Feste, wie ihre Eltern sie gefeiert hatten, gab es nicht mehr. Elfenwesen versammelten sich zwar noch in kleinen Grüppchen, um dieser Anlässe zu gedenken, und bei der jährlichen Landwirtschaftsausstellung von Cloudcroft im Mai hielten sie auch nach wie vor ihren karnevalsartigen Umzug ab, der Tanz der Tiere genannt wurde – aber der Höhepunkt, der zeremonielle Eintritt in die Spirale, fehlte. Diese

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