Valadas versinkende Gaerten
sitze da, zeige Ibn Abdus mein nacktes Gesicht: bräunlich, mit Mandelaugen und einem Leberfleck rechts oben über der Lippe, wohin sie mich zuerst küsste – und spekuliere, was er sich wohl ausdenken wird, um mich aus dem Weg zu räumen. Denn dass er das will, daran zweifle ich keinen Augenblick. Ibn Zaydun hat er ja auch aus dem Weg geräumt.
Der Minister mir gegenüber hat ein breites, zerklüftetes Gesicht; üppig borstige Brauen wölben sich wie helle Grasbüschel über dunklen, wachsamen Augen. Der Mund ist schmal, beherrscht. Intrigantenlippen. (Nun, auf eine Position wie die seine gelangt sicher niemand ohne Intrigen, wobei Mord und Totschlag nicht auszuschließen sind.) Im Augenblick hat dieser Mund ein Lächeln für mich, an dem die Augen nicht beteiligt sind. Obwohl er ein Mann in den Fünfzigern oder Anfang der Sechziger ist, hat er noch alle Zähne. Jemand, der es im Leben nicht schwer gehabt hat. Ein Vornehmer aus einer reichen Familie, Wohlstand und Bequemlichkeit.
Nach dieser Pause des gegenseitigen Abschätzens und stummen Kräftemessens mit den Blicken ergreift der hohe Herr also das Wort und sagt: »Ihr seid die Tochter eines Feigenhändlers, nicht wahr?«
Eine besonders gekonnte Eröffnung eines Gesprächs, den anderen zunächst auf seine gesellschaftliche Unterlegenheit hinzuweisen, wenn man mit ihm streiten will, finde ich.
»Ich bin die vertraute Freundin der Prinzessin Valada bint Al Mustakfí und ihre Schülerin in der Poesie«, entgegne ich gemessen.
»Eben das finde ich so erstaunlich und bewundernswert an der Prinzessin, dass sie keinen Unterschied macht zwischen Arm und Reich, Hoch und Niedrig«, fährt er geschmeidigfort. »Wie ich vernommen habe, schreibt Ihr freche und obszöne Verse.«
»Jeder in Cordoba, der die Poesie liebt, kennt meine Gedichte«, sage ich heftiger, als ich wollte. »Aber sie zu verfassen, ist wohl nicht ganz ungefährlich in Zukunft. Neuerdings kommt man für dergleichen ins Gefängnis, das habe ich vernommen.«
(Dass es den Rivalen aus Valadas Bett geworfen hat, kann mir nur recht sein, aber warum sollte ich auf das Argument verzichten?)
Er zieht die Brauen hoch. »Es kommt immer darauf an, wer die Verse schreibt, meine Schöne. Warum sollte man wohl eine so zarte Pflanze wie Euch in einen Kerker verbannen? Außerdem werdet Ihr niemals in Euren Worten die Prinzessin antasten, dessen bin ich gewiss.« Er legt den Kopf schief, beugt sich vor und sagt falsch-vertraulich: »Ich habe das erste Mal die Ehre, bei Valadas abendlichen Festen Gast zu sein. Stimmt es, dass es da gegen Ende ziemlich – freizügig zugeht?«
»Ihr habt die Ankündigung der Prinzessin doch selbst gehört«, erwidere ich, und der Zorn über diesen Mann, der mich auszuhorchen versucht, macht meine Stimme klein. »Lest aus ihren Worten, was Ihr möchtet. Sicher wisst Ihr, dass diese Feste zunächst einmal der Poesie und der feinen Lebensart gewidmet sind. Aber Lebensart umschließt eben nicht nur Tischsitten und Gesprächsführung, sondern auch, wie man mit einem anderen umgeht in der Liebe. Seid übrigens gewiss, dass Euch niemand aufhalten wird, wenn Ihr eher gehen wollt. Vielleicht sind solche Abende ohnehin nichts für Männer von Eurer reifen Würde.«
Er grinst mich unverhohlen an, holt mit einem Fingerschnipsen eine blonde Sklavin herbei und nimmt von dem Kupfertablett, das sie uns hinhält, zwei Kristallbecher. »Wie fürsorglich von Euch, Muhdja, dass Ihr Euch Gedankenmacht, was sich für einen Mann wie mich ziemt oder nicht. Oder wollt Ihr mich in Euren Versen geißeln, wenn ich mich nicht so benehme, wie Ihr es erwartet? Das wäre unklug. Nur keine Sorge. Ich werde gehen, wenn es Zeit ist.«
»Zeit wofür?«, frage ich und halte nun nicht mehr an mich. »Zeit für das Nachtgebet mit Euren Freunden, den bärtigen Männern aus Nordafrika, die unsere Stadt tyrannisieren und das Land ausplündern?«
Jetzt hat ihn meine Zunge verletzt.
Er stellt die beiden Gläser so heftig ab, dass der Wein überschwappt, und das Lächeln ist aus seinem Gesicht gewichen, als habe es jemand weggewischt. »Wenn ich mit den Berbern und ihren Anführern nicht auf gutem Fuß stünde«, sagt er hart, »würde in Cordoba schon kein Stein mehr auf dem anderen liegen.«
»Geht Ihr manchmal durch die Straßen, oder lasst Ihr Euch nur in einer Sänfte mit geschlossenen Vorhängen hindurchtragen? In Cordoba steht bereits jetzt kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Ausgebrannt, ausgeplündert viele
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