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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Lüge.)
    »Ich hatte es nicht geglaubt.«
    »Dummes Weib! Nun lauf und hol einen Arzt für ihn! Und wo ist das schwarze Mädchen?«
    Dawja legt sich den Schleier um. »Die ist fort«, sagt sie beiläufig.
    Sie will gehen, aber ich packe sie und halte sie fest.
    »Was meinst du mit fort?«, frage ich. Angst kriecht in mir hoch. Es ist eine andere Angst als die auf dem Marktplatz vorhin. Jene war die Panik vor einem grausigen Geschehen, eine Welle, die vorüberschwappte; diese hier ist wie ein kaltes, schlüpfriges Tier, das ganz von mir Besitz nehmen will.
    »Du hast mich auf den Basar geschickt, kleine Herrin«, entgegnet die Alte. »Und als ich zurückkam, war sie nicht mehr da.«
    »Hast du nach ihr gesucht?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich dachte, du hättest sie vielleicht wieder abgeholt«, sagt sie.
    Belügt sie mich? Sie ist zu einfältig und zu träge, um sich eine Lüge auszudenken. Sie war einfach nur froh, dass sie nicht mit einer Stummen auskommen musste, die ihr unheimlich war. Und dass sie die schönen Dinge vom Markt selbst benutzen konnte, auf weichen Polstern schlafen, kühle Säfte schlürfen, Fleisch und Zuckerwerk essen . . .
    Ich stoße sie zur Tür. »Lauf, hol einen Arzt!«
    Langsam gehe ich von der Kochstelle wieder hinüber zum Mailis, verharre an der Tür, wage mich nicht noch einmal näher an den ächzenden Mann heran, meinen Vater, Kasim, entstellt von Folter und Furcht.
    Sie ist fort.
    Ich habe sie aus dem Haus ihrer Sklaverei geholt und hierhergebracht ins Freie, und sie ist fort. Wollte sich in keine neue Sklaverei begeben, in die Knechtschaft, geliebt zu werden. Beschützt zu werden.
    Ich habe kein Anrecht auf sie.
    Nun bin ich ganz allein.
    IN DER GEGEN-STADT.
    Die Karrenmänner sind gekommen, obwohl die Nacht ruhig war. Keine Bärtigen unterwegs.
    Was mögen sie bringen?
    Sie haben nur einen einzigen Wagen dabei, verdeckt mit einer Plane. Sie fragen nach dem König.
    Sie müssen warten, denn der König springt nicht herbei, wenn man ihn ruft. Er bestimmt selbst über seine Zeit.
    Die Karrenmänner werfen hin und wieder einen Blick unter die Plane, wie, um sich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hat darunter.
    Ein paar von dem Lumpengesindel haben sich eingefunden inzwischen, und als sie merken, dass sich wohl etwas Lebendiges auf dem Wagen befindet, wächst ihre Neugier. Bald umsteht ein ganzer Trupp von Ausgegrenzten die Ankömmlinge,raunt und reckt die Hälse, bleibt aber auf vorsichtigem Abstand. Wer weiß, was da gebracht wird!
    Als dann der König erscheint, weichen sie respektvoll noch weiter zurück, und die Karrenmänner verbeugen sich mit über der Brust gekreuzten Armen.
    Einer von ihnen macht sich zum Sprecher.
    »Mawlah!«, so sagt er respektvoll, »wir haben einen Fang gemacht, den wollen wir dir überantworten. Denn wir haben deine Rede noch im Ohr, dass die Stadt Cordoba nichts taugt und wir bald alle nichts anderes sind als solche Elenden wie ihr hier. So sind wir in den Gassen Cordobas umhergegangen und haben mit dem und jenem gesprochen, der verständig ist   – aber wir finden unter ihnen niemanden, der bereit ist, unsere Stimme zu sein, so wie du Stimme und Arm der Ausgegrenzten bist.«
    »Nun«, fährt er fort, »hat sich unsere Not noch verstärkt, denn jemand hat da, wo es schon nichts mehr zu holen gibt, die Schraube der Presse noch einmal mehr umgedreht und will uns noch für jede Krume Salz, die wir essen, bis zum Weißbluten bringen. Eine neue Steuer, Herr! Eine Steuer auf das Salz.
    Es ist nicht nur, dass das Essen nicht mehr schmeckt. Es ist   – sie zeigen uns, dass wir für sie keinen Wert haben, wenn sie uns nur noch das Futter lassen wie den Tieren, damit wir nicht krepieren. Wir . . . wir wissen es nicht besser zu sagen.«
    Der König ist still. Dann nickt er und sagt langsam: »Dass ihr für die da oben keinen Wert habt. Ja. Dass sie euch keine Würde lassen, auch wenn sie nur in der Gestalt eines Salzkorns aufzufinden ist. Jetzt wisst ihr, wie es
uns
geht. Jetzt seid ihr bei uns angekommen.«
    Ein bestätigendes Murmeln geht durch die Reihen, aber der König hebt die Hand, und es verstummt wieder.
    »Was also soll das alles?«
    Der Karrenmann holt Luft. Strengt sich an zu seiner Rede: »Es hat die verständigen Männer in den Gassen ein großerZorn gepackt, und sie haben gemeint, der, der das verschuldet, müsse büßen, damit die da oben sehen, wir hier unten ertragen nicht alles.
    Und es ist uns gelungen, ihn zu fangen   – es war

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