Valadas versinkende Gaerten
Dichterin – sie war still. Still und traurig.
Natürlich ist es meine Schuld. Aber der eigentliche Verursacher dieser ganzen Verwirrung ist der Mann. Ibn Zaydun. Hätte er sich nicht an Nazik vergangen, hätte Valada nicht ihre kleine Rache an ihr ausgeübt, vielleicht wären meine Augen gleichgültig über sie hinweggeglitten für alle Zeit, und unsere Lebenskreise hätten sich nicht berührt.
Ich hasse den großen Dichter. Den Zerstörer.
Aber was für krauses Zeug schießt mir da durch meinen verzweifelten Kopf?
Keiner kann dem entkommen, was im Buch des Lebens für ihn verzeichnet ist. Und mir ist nun wohl vorbestimmt, dass mir das Schicksal zu meiner ersten Liebe eine zweite gegeben hat, mit allen Schmerzen, allen Verirrungen, allen Nöten. Unweigerlich. –
Am Markt komme ich nicht weiter. Der Kadi hat eine Hinrichtung angeordnet, wie man sieht. Auf dem Gerüst ist schon das Blutleder ausgebreitet, und ein Henkersknecht, eine gelbe Kapuze auf dem Kopf, steht mit dem Richtschwert bereit.
Mir zittert das Herz in der Brust.
Hat der Wesir, dieser betrügerische Hund, Valada nur zum Schein versichert, meinen Vater freizugeben, hat er sie in Sicherheit gewiegt, und dabei wird seine Hinrichtung schon vorbereitet?
Von allen Seiten strömen Menschen herbei. Ich dränge mich mitten hinein in die Menge.
Johlende Gassenjungen begleiten einen Eselskarren, auf dem ein Mann zwischen zwei Pflöcken angebunden steht. Seine Kleidung ist zerrissen, und die Straßenbengel bewerfen den Verurteilten mit Pferdemist, faulem Obst und Steinen.
Ein Ausrufer begleitet den Karren und schreit: »Seht den Verfluchten, der in der finstersten Hölle schmoren wird, seht den Sohn eines Schakals und einer räudigen Hündin, den Verräter an unserem Herrn, dem großmütigen Emir Abd Al Malik! Er überschüttete ihn mit Wohltaten, er aber verkaufte unseren Herrn an die Feinde! Seht ihn auf seinem letzten Weg, der ihn schnurgerade in den Höllenschlund führen wird!«
Verräter des Emirs – nein, das kann nicht Kasim sein. Das ist etwas . . . aus anderen Bereichen . . .
Nun sehe ich auch, dass die Gestalt auf dem Karren vielgrößer ist als mein Vater, ein Krieger wohl, mit üppigen Muskeln an den ausgebreiteten Armen und breiten Schultern. Vielleicht einer, der den Eid gebrochen hat, den er dem Herrscher schwor.
Die Büttel zerren ihn vom Karren herunter.
Die Menge verstummt.
Nein, ich will nicht sehen, wie es geschieht . . .
Mit wankenden Knien bahne ich mir meinen Weg, fort von dem grausigen Geschehen.
Hinter meinem Rücken der Trommelwirbel. Das scharfe Zischen des Richtschwerts. Das Aufseufzen der Zuschauer, als seien sie ein einziges Wesen.
In der nächsten Gasse mache ich Halt, lehne mich an die Wand und muss mich übergeben. Ein paar Katzen streichen zögernd heran, begierig auf das gute Futter.
Ich laufe weiter. Biege in unser Viertel ein.
Die Haustür ist noch immer nichts weiter als ein Haufen Bretter (ich hätte wohl eine neue in Auftrag geben müssen), und der Innenhof wirkt verwaist.
Wo ist Nazik?
Unser kleines Haus wirkt so leer und still, als würde niemand darin wohnen. Nicht einmal Dawja ist in ihrer Kammer.
Ich schlucke. Schlucke an einer Beklemmung, die ich mir selbst nicht erklären kann. Vielleicht ist sie im Mailis, im Hauptraum. Hier hat Dawja nach meiner Anweisung eingekauft, Polster, Kissen, Decken . . .
Eine Gestalt liegt zusammengekrümmt unter einem Berg von Stoff, Kopf und Gesicht verborgen.
Vorsichtig ziehe ich die Decke weg. Fahre zurück.
Die Gestalt wimmert, versucht, sich tiefer zu verkriechen.
Blut im Haar. Das Gesicht rot und bis zur Unkenntlichkeit geschwollen. Blut am klaffenden Mund.
Es ist mein Vater. –
Ich finde Dawja in der Küche. Sie hockt an der kalten Feuerstelle und zittert.
Ich ziehe sie am Arm hoch und schüttele sie.
»Seit wann ist er hier? Seit wann?«
Sie zuckt die Achseln.
»Rede! Wer hat ihn gebracht? Was für Leute?«
»Ich habe nichts gesehen! Ich weiß nichts! Ich habe geschlafen!«
»Ja, schlafen, das ist das, was du am besten kannst! Hast du nach einem Hakim geschickt, nach einem Arzt?«
Sie starrt mich an, schüttelt den zottigen Kopf. »Werden sie ihn wieder holen?«, fragt sie sinnlos, statt zu antworten.
»Was schwatzst du für Unsinn! Man hat ihn begnadigt, er ist frei! Verstehst du? Dein Herr ist frei!«
»Frei?«, wiederholt sie.
»Ja doch! Ich hatte dir gesagt, dass sie ihn freilassen würden!« (Da war es noch eine
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