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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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als Bedrohung empfunden.
    Sie ist ohne ein Wort zu mir hineingestiegen, ohne ihre Ghilala auszuziehen; das feine Leinen klebt an ihrem Leib und lässt die Spitzen ihrer starren Brüste hindurchscheinen. Das Wasser macht das. Es kann nicht sein, dass sie mich begehrt. Ich bin ein Wrack.
    Mit einem Schwamm, so groß wie ein Brot, beginnt sie, mich ungeschickt zu reinigen. Graue Schmutzschlieren bedecken alsbald die Oberfläche des Bades, heften sich an die Rosenblätter, die auf dem Wasser schwimmen, und so vermischen sich Unrat und Anmut.
    »Ich muss dein Haar waschen!«, sagt Valada. »Dazu muss ich deinen Kopf untertauchen.«
    »Nur zu!«, erwidere ich. Denkt sie, es kann mich schrecken, unter Wasser zu sein?
    In meinen Ohren rauscht es, als ob mir jemand eine große Muschel an die Schläfe hält. Die Olivenseife brennt in meinen Augen.
    Meine Prinzessin gibt sich alle Mühe auf einem Gebiet, das sie nicht beherrscht, aber natürlich weiß sie, was ihre Badesklaven mit ihr tun; ihre zupackenden Finger massieren meine Kopfhaut, sie schwenkt und spült und wringt mein Haar, als sei es ein Wäschestück. Schreit nach ihrer Dienerschaft, nach mehr frischem Wasser. Frisches warmes Wasser. Übergießt meinen Kopf, bis er sich ganz leicht anfühlt.
    Ich bin kurz davor, einzuschlafen. Nichts bedrückt mich. Ganz tief innen hat sich das Grauen zu einem kleinen Knäuel zusammengezogen. Aber ich weiß, dass es wieder anwachsen und von mir ganz und gar Besitz ergreifen und mich aus dieser heilen Welt hinausschleudern kann.
    Valada hat meine Füße hochgehoben aus dem Bad, erstden einen, dann den zweiten, und besieht sich diese Monster einer langen Wanderschaft. Die tief eingekerbten, schwarzen Klüfte in der Hornhaut, die blutverkrusteten Wunden.
    »Was soll ich damit machen?«, fragt sie, und sie klingt so verzagt wie ein Kind, dem man eine unlösbare Aufgabe überträgt.
    »Bimsstein«, sage ich. »Oder eine Raspel.«
    Sie ruft danach, beginnt tatsächlich, zögert, sagt leise: »Es wird bluten.«
    »Nur zu!«, entgegne ich zum zweiten Mal. »Mir tut nichts mehr weh.«
    Das Wasser färbt sich rosa.
    Sie, die sich noch nie einer solchen Sache angenommen hat, arbeitet an mir wie eine Sklavin.
    Schließlich hilft sie mir aus dem Wasser, gibt mir Tücher für Haar und Leib, wickelt meine Füße in Binden, die sie irgendwo herholt. Ich bin im Halbschlaf, bekomme vor Erschöpfung nicht alles mit.
    Aus den Schwaden der Müdigkeit taucht sie immer wieder auf, triefnass, das gelöste Haar hängt wie Tierschwänze um ihr von der Anstrengung gerötetes Gesicht. Sie hat die Augen von der Farbe des Flusses.
    Beim Abtrocknen verharren ihre Finger an der Narbe mitten auf meiner Brust, ein aufgeschwollener, hässlicher Kranz rötlichen Fleisches, geformt wie das zum Kuss gespitzte Ende eines widerlichen Rüssels.
    »Und das? Tut das weh?«
    »Ich sage dir doch: Mir tut nichts mehr weh.«
    »Was ist das?«
    »Wahrscheinlich meine Lebensrettung«, erwidere ich, »obwohl ich darauf gut und gern hätte verzichten können.«
    »Sprich nicht so!«, sagt sie mit ihrer Gesangsstimme, und ich: »Anders kann ich nicht.«
    Da ist etwas Warmes zu trinken, ich glaube, es ist ein Teeaus Minze. Da stehen Speisen bereit, aber mein Magen sagt Nein dazu.
    Ich erfahre, dass meine Eltern nach mir fragten (irgendjemand aus dem Haus wird ihnen meine Ankunft gemeldet haben) und zu mir wollten, und werde noch einmal wach. Ich kann und will sie nicht sehen.
    »Später vielleicht«, sagt Valada, und ich antworte: »Später vielleicht.«
    Wann das auch sein wird.
    Sie führt mich zu einem weichen Lager, das meinen Knochen wohltut, das mich aufnimmt wie ein Nest.
    Sie umsorgt mich wie die Mutter ihr Kind.
    Ich muss es ihr sagen: »Du verschwendest viel Mühe an mich, und dieser Leib dankt dir. Aber in meinem Kopf, das musst du wissen, ist alles durcheinander. Du denkst, ich bin Kasmuna. Die habe ich unterwegs verloren. Die du hier eben gereinigt und gesalbt hast, das ist eine   – Verrückte. Von ihrer Stelle verrückt. Verrückt und verirrt.
    Und nun bin ich müde. Erlaube, dass ich schlafe.«
    Ich habe die Augen geschlossen, aber an meinem Hals fühle ich plötzlich etwas Kühles. Sie legt mir die Perlen um. Wo mögen die wohl herkommen, frage ich mich, aber eigentlich will ich es nicht wissen.
    »Dies Zeichen meiner Liebe wird dich wieder zu Kasmuna machen!«, sagt sie, und ihre Stimme bricht.
    »Ach, Valada«, antworte ich, »die Perlen sind mir viel zu

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