Valadas versinkende Gaerten
verzeihen, dass du mir deine Segnungen heute zum letzten Mal erteilst. Denn du bist zu weit gegangen, und ich kann nicht über meinen Schatten springen.
»Wie hieß sie? Nazik, nicht wahr?«, sage ich, um ihn zu peinigen. »Schwarzes Fleisch – besser als weißes Fleisch?«
Er antwortet nicht.
Ich erhebe mich, mir ist taumelig.
Nun kann ich ihn fortschicken. Zu seiner Sicherheit und in meinem Dienst.
Ich sage ihm, was ich zu sagen habe.
IBN ZAYDUN.
Ihre Worte durchdringen langsam den Nebel, der mich umgibt.
Was will sie? Ich bin eben in ihr gestorben. Sie redet zu mir von jenseits des Grabes. Zunächst höre ich etwas und verstehe nicht. Dann gelangt mit den Worten endlich auch deren Bedeutung zu mir. »Bist du bei Sinnen, Ahmad, oder hast du dich um den Verstand gevögelt? Lieg nicht da, als wolltest du genüsslicheinschlafen nach gehabtem Vergnügen«, sagt sie mit rauer Stimme. »Gib mir ein Zeichen, dass du mich verstanden hast!«
Vergnügen?, denke ich. Vergnügen ist etwas anderes.
Matt sage ich: »Sevilla?« Und richte mich auf, wobei mir kurz schwarz vor Augen wird. Man sollte eigentlich sich nicht so . . . verausgaben, wenn man wenig zu essen bekommt.
Sie steht da, breitbeinig, ihre weißen Kleider sind befleckt, ihre Augen haben jene tiefe Azurbläue wie immer dann, wenn sie auf dem Gipfel gewesen ist. Ihre Lippen sind zerbissen, und sie leuchtet in dem Triumph, den sie glaubt, über mich davongetragen zu haben – als hätte mir dies schwarze Fleisch etwas bedeutet!
»Sevilla?«, wiederhole ich. Und dann: »Sag es noch einmal.«
Ungeduldig schlägt sie sich mit der Faust in die Innenfläche der anderen Hand.
»Ich verkünde dir dein Schicksal, und du döst vor dich hin.«
Sie geht zum Tisch, betrachtet mit schief gelegtem Kopf den Stapel beschriebener Blätter, setzt sich. »Beachtlich«, sagt sie. »Mit zwei Kerzen pro Tag. Nun gut, du hattest ja auch nichts Besseres zu tun.« Sie räuspert sich die Kehle frei.
»Also noch einmal, und ich erwarte entsprechende Begeisterung. Heute Nacht wird der Schließer vergessen, deine Tür richtig zu verriegeln, und auch sonst sind die Wachmannschaften irgendwie abgelenkt. Wie ich gespürt habe, bist du ja nicht so hilflos, dass man dich hinaustragen muss. Du marschierst also geraden Weges zur Seitenpforte des Südtors. Davor ist eine Art Wachstube. Dort erwartet dich ein Diener der Banu Makhsum, deiner Familie, mit dem nötigen Geld. Alsdann machst du dich auf den Weg nach Sevilla. Mein Auftrag, den ich dir erteilt hatte, bevor du . . . bevor dich eine Verkettung von Umständen hierherbrachte, gilt nach wie vor.«
Ich sehe: Alles ist auf einmal ganz einfach. Am liebsten hätte ich gesagt: Warum nicht gleich so? Begeisterung? Begeisterung nach langen Wochen in diesem Drecksloch?
»Eher ging es nicht?«, frage ich wütend.
Sie holt tief Luft, aber ich lasse sie nicht zu Wort kommen.
»Musstest du für so lange dein Mütchen an mir kühlen, du rachsüchtige Furie? Hätten nicht ein paar Tage gereicht, um mich zu bestrafen, dass ich deiner Fotze zur Abwechslung eine andere vorgezogen habe? Du vergnügst dich Tag für Tag mit deinen Weibern . . .«
»Und du dich mit Jungen!«, fährt sie dazwischen.
»Machen wir uns jetzt eine Szene wie ein Ehepaar?«, frage ich scharf zurück.
Sie fährt herum auf dem Stuhl, auf dem ich so lange Zeit gesessen und die vielleicht besten Gedichte geschrieben habe, zu denen ich fähig bin – was heißt, dass es überhaupt die besten von ganz Al Andalus sind . . .
»Ein Ehepaar?« Ihre Augen bekommen die Farbe gehärteten Stahls.
»Wie simpel!«, sagt sie langsam, mit jener Stimme, auf der sie ihre Verse einherzutragen pflegt wie auf einem Tablett und die viel zu groß ist für dies Dreckloch hier, tönend und voll. »Hast du überhaupt nichts verstanden, Ahmad Ibn Zaydun? Ja, wir waren etwas. Aber sicher kein Ehepaar. Wir waren Valada und Ibn Zaydun, Ibn Zaydun und Valada!« Und nun steigt sie auf zu einem hohen Flug. »Zwei Bäume, gleich hoch und wohlgestalt gewachsen, deren Häupter sich so zueinander neigten, dass sich ihr Laub vermischte. Unverwechselbar auf der Erde von Al Andalus. Die Dichter. Die Liebenden. Und wenn du nicht begriffen hast, dass die Lust des Geistes uns mindestens genauso geeint hat wie die Lust des Fleischs, dass wir hier wie da einander ebenbürtig waren, dann frage ich mich, hast du mich nur verblendet?
Wir hatten ein gemeinsames Lager. Unser Bett. Es gab dieOrte der anderen,
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