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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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mich.
    IBN ZAYDUN.
    Falls der Zufall eine Gottheit ist, so jedenfalls eine sehr launische.
    Der Überfall vor uns auf dem Weg bestätigt mir, wie richtig es war, mit starker Bewachung zu reisen. Die Pardos   – denn nur solche können es sein   – haben gerade ihre Beute verladen und machen sich nun um eine Reisesänfte und um das, was sich darin befindet, zu schaffen.
    Auf dem Weg lamentiert eine ältliche Sklavin vor sich hin. Vielleicht bedauert sie ja, dass keiner auf den Einfall kommt, sie zu vergewaltigen.
    Ich gebe meiner Truppe den Befehl, und sie geht zum Angriff über. Wie es aussieht, habe ich die richtigen Leute unter Vertrag.
    Nach einem kleinen, von den überraschten Räubern nur halbherzig geführten Gefecht   – die sind nicht aufs Kämpfen aus, wollen nur schnellen Raub   – werden zwei der Christenhunde verletzt. Das reicht. Sie machen sich aus dem Staub, schwingen sich in die Sättel und sind weg. Meine Männer verfolgen sie. Bis auf eins der beladenen Packtiere, das sie bereits am Leitseil eines ihrer Gäule festgemacht hatten, steht und liegt alles noch herum, und von der Begleitmannschaft der Überfallenen ist weit und breit nichts zu sehen.
    Die Alte stürzt auf mich zu, küsst mir den Steigbügel und fleht Allahs Segen auf mich herab. Ich beruhige sie, steige abund nähere mich der Sänfte, in der die reisende Dame liegt; offenbar hat sie es vorgezogen, in Ohnmacht zu fallen. Bisher sehe ich von ihr nur die nackten Füße, wie sie aus dem Gefährt heraushängen; man hat ihr wohl den Schmuck von den Fußknöcheln abgenommen.
    Während sich die Dienerin unter fortwährendem Gejammer um ihre Herrin kümmert, entdecke ich im Straßenstaub zwei Dinge.
    Das eine ist ein Buch, dem Format und dem Stil nach, wie der Titel gestaltet ist   – goldgerahmte Miniatur auf dem Deckel, gestanzte Metallschließen   –, eindeutig Bagdader Machart; eine Kostbarkeit, die ein christlicher Pardo in seiner Unbildung natürlich nicht würdigen konnte. Und als ich mich bücke, es aufzuheben, schimmert, halb verborgen durch den unteren Fransenbehang der Sänfte, ein Beutestück, das die Räuber in der Eile verloren haben müssen.
    Ich greife danach.
    Und dann halte ich zu meinem Erstaunen das Perlenkollier der Kasmuna bint Ismael in der Hand, Valadas viel beachtetes, weil höchst kostbares Geschenk an ihre Favoritin.
    Wie es aussieht, habe ich gerade dieser Dame das Leben gerettet oder sie zumindest vor den Unannehmlichkeiten einer Geiselhaft bei den Ungläubigen bewahrt.
    Die Perlen fühlen sich kühl und seidig an, sie liegen schwer in meiner Handfläche und schmeicheln der Haut, wenn ich sie bewege. Einen Augenblick zögere ich.
    Eine Tat wie die meine ist ihres Lohnes wert, und wer weiß, wozu es noch dienen kann . . . Jedenfalls lasse ich das Schmuckstück in meine Tasche gleiten, bevor ich noch einen Schritt auf die Sänfte zugehe und die Alte beiseite scheuche.
    Gerade im rechten Moment. Denn eben schlägt die Geliebte meiner Geliebten die übergroßen Augen auf und starrt mich an, als sei ich eine Gestalt aus einem Albtraum. Bestimmt hat sie ebenso wenig wie ich erwartet, dass wir uns jemals wiedersehen.
    »Allahs Segen über Euch, Dame«, sage ich, ganz galanter Poet und Mann von Welt.
    »Ich schätze mich glücklich, dass es mir vergönnt war, Euch aus einer misslichen Lage zu befreien. Ich hoffe, Euch ist nichts wirklich Schwerwiegendes zugestoßen.«
    Und ich küsse ihr die Hand, eine Hand, die so kalt ist wie die einer Toten.
    Sie ist noch nicht in der Lage, etwas zu sagen, öffnet und schließt den Mund, und ich vermute, der Schock, mich hier zu sehen, ist mindestens genauso groß wie die Nachwirkung des Schreckens von dem Überfall.
    Also fahre ich fort: »Wie mir scheint, hat man Euch Eures Schmucks beraubt. Das tut mir leid, aber wenigstens war ich in der Lage, dies Buch aus dem Staub des Weges auflesen zu können. Es ist sicher für eine literarisch gebildete Dame genauso viel wert wie ein paar Kettchen.«
    Jetzt kommt Leben in sie. Mit beiden Händen greift sie sich an den nackten Hals, und in diesen großen, tragischen Augen wohnt in dem Moment eine solche Hilflosigkeit, dass ich fast bereit bin, in die Tasche zu fassen und ihr die Perlen zurückzugeben   – aber nur fast.
    Diese Frau war meine Rivalin, sie hat in der Zeit, als ich im Kerker hockte und mich vor Begierde verzehrte, den Leib meiner Geliebten gestreichelt und hat dabei gewiss keinen Gedanken an mich verschwendet, außer

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