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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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die Reit- und Packtiere, waren abgeschirrt und ihrer Lasten entledigt, sie kauten, die Schnauzen tief in ihren Futtersäcken, und die Männer der Shorta dösten neben ihren Gäulen, die Sättel auf dem Boden, Hellebarden sorglos zur Garbe aufgestellt, und ließen den Weinschlauch kreisen, aus dem sie sich den Strahl in den Mund gossen.
    Ich selbst saß in der Sänfte und las.
    Das Kreischen Hamdas machte uns aufmerksam.
    Und dann, als fege ein Wirbelsturm die Menschen fort vom Angesicht der Erde, waren die Maultiertreiber in den Büschen verschwunden, und die Stadtsoldaten gaben Fersengeld. Allein auf dem Weg stand meine alte Zofe zwischen unseren Tieren und drehte sich wie ein Derwisch, um die Ankömmlinge von unseren Warenballen fernzuhalten, und die beachtetensie so wenig, als wäre sie ein Hündchen, das versuchte, sie ins Bein zu beißen.
    Ich saß noch immer in meiner Sänfte, bei offenen Vorhängen, und sah zu. Es war so unwirklich, und ja, es war fast komisch.
    Christliche Straßenräuber, Pardos. Gepolsterte Lederkoller, Lanzen, breite Schwerter. Helme mit Nasenschutz.
    Emsig wie Insekten machen sie sich über das her, was sie mitnehmen wollen   – sie scheinen alles gebrauchen zu können und bemühen sich gar nicht erst, nachzuschauen, was in den einzelnen Behältnissen ist. Unsere Tiere, Mulis wie Pferde der Wachmannschaft, werden beladen   – gleich doppelte Beute, das Diebesgut und die Transportmöglichkeit. Sie schreien und lachen.
    Bis dahin hatten sie mir noch gar keine Aufmerksamkeit gewidmet. Verständlich. Ich konnte ja nicht weglaufen. Ich war der sicherste Teil der Beute. Sie würden mich mitsamt der Sänfte entführen und Lösegeld verlangen.
    Ich war merkwürdig ruhig, dachte nur mit Bedauern daran, dass diese meine Reise meinen Vater sicher sehr viel kosten würde.
    Und erst, nachdem sie mit dem Beladen fertig waren, kamen sie näher, beäugten mich neugierig, schnatterten durcheinander in einer Mischung aus Arabisch und Latein.
    (Hamdas schrilles Gejammer verhinderte, dass ich auch nur ein Wort verstand.)
    Das Buch, das ich noch immer hielt, wurde mir entrissen und landete im Straßenstaub.
    Dann packten sie mich an den Oberarmen und hielten mich fest, so wie jetzt noch immer, und ich begriff: Es ging um meinen Schmuck.
    Einer von ihnen war offenbar Experte auf diesem Gebiet. Er griff meine Hände, erst die rechte, dann die linke, und streifte mir mit bemerkenswerter Geschicklichkeit die Ringevon den Fingern und die Armreifen von den Handgelenken. Unterm höhnischen Applaus der anderen bückte er sich, hob meine Füße an, einen nach dem anderen, zog mir die Schuhe aus und zerrte   – nicht ganz so sanft wie zuvor   – meine goldenen Fußkettchen über Ferse und Spann herunter, schwenkte sie triumphierend in der Luft.
    Und ich wehrte mich nicht.
    Ich wehrte mich auch nicht, als er mir die Ohrringe abnahm, obwohl sein Atem, als er so unmittelbar an meinem Gesicht hantierte, mir Übelkeit verursachte. Ich war erstarrt. Kam mir vor wie jemand, der neben sich steht und zusieht, was ihm passiert.
    Aber dann griff er nach Valadas Perlenkette, und das durfte nicht sein. Ich begann mich zu winden in den festhaltenden Händen, versuchte, mich zu entziehen.
    Einer packte mich am Haar, bog mir den Hals nach hinten, um meinen Kopf zu fixieren.
    Ich hörte sie schreiend auf den Mann einreden. Es ging wohl darum, ihm zu erklären, dass er den Verschluss lösen müsse, damit die einzelnen Perlen nicht in den Straßendreck rollten.
    Die fremden Finger an meinem Hals drückten und rissen. Ich begann zu brüllen. Gern hätte ich um mich gebissen, aber ich bekam keine Gelegenheit dazu.
    Als sie von mir abließen, war mir klar: Mein Hals war nun nackt. Mein Schutz von mir genommen.
    Und der Mann lachte mir ins Gesicht.
    Da beuge ich mich vor und spucke.
    Einen Moment ist es totenstill. Nicht einmal Hamda schreit mehr. Und über mich fällt so etwas wie eine Mauer des Schweigens und der Abwesenheit, als sie mich wieder an den Armen packen wie vordem. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass mir nun einer von ihnen die Kehle durchschneiden wird.
    Ich habe die Augen geschlossen. In Gedanken spreche ich das »Schma Israel«, das Gebet meines Volkes.
    Valada, mein Vater, meine Mutter und die Schwestern, mein Elternhaus, Valada, Valada. Wie in einem immer schneller werdenden Karussell tauchen sie hinter meinen geschlossenen Lidern auf, wollen mir etwas sagen, mich trösten, mich bewahren.
    Es wird dunkel um

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