Valadas versinkende Gaerten
Löwenbrunnen. Ich ganz allein. Das Geschrei und Geheul, die Schläge der Äxte, das aufmunternde Hetzgebrüll der Mordbrenner, alles ist weit weg.
Ich trete aus dem Säulengang heraus, gehe über den weißglänzenden Marmor des Bodens. Er ist glatt. Ich schwanke und hinterlasse rote Spuren.
Wann war es, dass ich ehrfurchtsvoll hier vor der Schönheit dieses Brunnens stand, mir überlegte, wie ich sie für Valada beschreiben kann?
Valada. Ein Wesen aus einer anderen Welt.
Ich will mich waschen, weiter nichts.
Ich werfe den Umhang fort und setze mich auf den Brunnenrand, tauche zuerst die Arme bis zu den Ellbogen ein, sehe zu, wie das Wasser sich rot verfärbt. Dann schwinge ich die Beine hinüber und wasche meine Füße. Gründlich. Die Löwenspeien weiter ihren Strahl in das Becken, gleich, von welcher trüben und betrübten Farbe das Wasser nun wird.
Beim Aufstehen lese ich die Inschrift auf dem Rand der Umfassung. Ich hatte sie in jener fernen Vergangenheit, als ich hier war, gar nicht bemerkt. Da steht: »Der Friede Gottes sei mit dir auf ewig. Mit jedem Fest beschäme deine Feinde.«
Lache ich? Ja, ich lache. Es ist ein Lachen, an dem man sterben kann.
Stimmen nähern sich, entfernen sich wieder.
Haben sie mich gesehen, die? (Ich denke, dass ja vielleicht der dunkle Umhang mein Zaubermantel war, der mich unsichtbar machte. Soll ich ihn wieder umtun? Ach nein, es ist zu viel Blut daran.) Ich glaube, überall, wo ich hinkomme, da haben sie ihre Arbeit schon vollbracht. Daran liegt es, dass mich keiner wahrnimmt.
Und vielleicht will ich gar nicht mehr unsichtbar sein.
Unterdessen gibt es ein neues Geräusch. Es kommt von unten, von der Stadt, und es hört sich genauso an, wie wenn Katzen schreien. Wie wenn hundert Katzen schreien. Katzen, denen man das Fell bei lebendigem Leib abzieht oder die man mit Öl übergießt und ansteckt, denen man die Augen aussticht und den Leib aufschlitzt. Nur, dass es keine Katzen sind.
Sie sind mit dem gekreuzigten Nagid im Realejo angekommen. Nun tun sie ihre Arbeit dort.
Langsam verlasse ich den Hof mit dem Löwenbrunnen. Mit jedem Fest beschäme deine Feinde! Ich gehe durch die schattigen Kolonnaden, Wasser trieft mir von Händen und Füßen.
Wie war es möglich, dass man dichten konnte?
Jetzt bin ich im Hellen. Hell im Hellen. Mir wird bewusst, dass ich unter diesem Umhang nichts getragen habe als meine weiße Ghilala. So stehe ich nun im Licht, und jene, die da eifrig beschäftigt sind, einen Feigenbaum in Stücke zu zerhacken,halten in ihrer Arbeit inne und sehen zu mir hin, als seien sie erschrocken.
Sie rufen mir etwas zu, was ich nicht verstehe. Einer hebt den Bogen auf, den er abgelegt hatte, zückt einen Pfeil.
Sehr ernsthaft beginne ich, unser Gebet aufzusagen, das Schma Israel, obwohl mir seine Worte wie Steine über die Lippen poltern. »Höre Israel, der Ewige ist dein Gott, der Ewige ist einzig. Du sollst anbeten den Ewigen von ganzem Herzen, mit ganzem Gemüt und mit ganzer Seele.«
Weiter komme ich nicht.
Der Pfeil trifft mich mitten in den Leib, über dem Magen. Ich umfasse ihn mit beiden Händen und schaue verwundert auf ihn herab.
Noch mehr Blut. Nun mein eigenes. Vielleicht bin ich tot.
VALADA.
Seit Kasmuna fort ist, schlafe ich schlecht, bin gereizt und kann mich nicht sammeln.
Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen Muhdja gegenüber. Sie muss ja denken, sie sei mir nicht so viel wert wie die Jüdin. Aber das ist nicht wahr. Ich liebe die eine genauso zärtlich wie die andere.
Zum Glück scheint sie es nicht zu merken.
Manchmal entfernt sie sich nachts, schleicht sich davon. Ich tue, als würde ich es nicht merken. Und das ist gewiss falsch, weil es von Gleichgültigkeit zeugt. Aber was soll ich machen.
Ich bin unruhig seit Tagen. Ich weiß nicht, betrifft es mein Haus, betrifft es die Stadt, in der ich lebe? Gewachsen ist dies Gefühl in der Nacht vor dem jüdischen Fest.
Eigentlich hatte ich alles getan zum Schutz der Judería.
Und dennoch lag ich irgendwann wach, allein, die Hände unterm Kopf verschränkt, und lauschte nach draußen. Wohin mochten die Bärtigen sich verzogen haben, wenn sie imjüdischen Viertel nicht zum Zuge kamen? Wo brachen sie stattdessen ein in die Häuser?
Alles schien still zu sein.
Ich war kurz davor, wieder einzuschlafen, als mich eine gellende Stimme aufschreckte. Eine Stimme, die verkündete, dass Allah Gott sei und Mohammed sein Prophet, wie es vom Minarett herab zu geschehen pflegt. Aber es war
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