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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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nicht der Muezzin. Denn es war eine Frauenstimme.
    Ich fuhr hoch auf meinem Lager, stützte mich mit beiden Händen auf, horchte.
    Der Stimme antwortete eine zweite, eine dritte. Es war, als würden sie sich gegenseitig anfeuern, würden um die Wette schreien, so wie Hähne um die Wette krähen, wenn der Tag anbricht.
    Und das war nicht alles. Ein Klirren, ein Rasseln und Dröhnen drang durch die Luft   – diese Frauen machten Lärm mit . . . ja, womit? Wahrscheinlich mit ihren Küchengeräten, mit Topfdeckeln und metallenen Kellen und Löffeln   – ich kenne mich damit nicht aus.
    Ich saß, und mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
    Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass es kaum Plünderungen gegeben hatte, auch nicht in den anderen Stadtvierteln. Man war vorbereitet durch die Vorsichtsmaßnahmen, die ich bei der Judería hatte treffen lassen.
    Aber die Frauen verliehen dennoch ihrer Wut Stimme. Sie waren auf ihre Hausdächer gestiegen und brüllten und machten Lärm, wie man es tut, um böse Geister zu verjagen.
    Das hatte mir gefallen. Und von da an, als ich merkte, dass ich es mochte, war noch etwas dazugekommen.
    Ich hatte das Gefühl, als gelte dieser Aufruhr mir. Als forderte man mich auf, zu Hilfe zu kommen. Ich, ihre Prinzessin.
    Aber wie denn?
    Indem ich den rechten, den gerechten, den wahren Herrscher holte, ja! Diese Frauen waren wie eine andere, lebendeStimme des merkwürdigen Buches, das mich in seinen Bann geschlagen hatte. Das Sprachrohr der Nöte meiner Stadt.
    Oh Allah, Ibn Zaydun, beeile dich! Man ruft mich. Man fordert.
    Ich saß da, verbarg das Gesicht in den Händen, wiegte mich hin und her, außer mir vor Ungeduld und Sorge.
    Dann, wie er gekommen war, verstummte der Lärm.
    Stille. Eine Stille, die in meinen Ohren klang.
    Hatte ich das vielleicht nur geträumt?
    Muhdja war fort. Gern hätte ich sie gefragt, ob sie das Gleiche vernommen hatte. Aber sie suchen zu lassen in meinem Haus, dazu war ich zu müde.
    Als ich einschlief, träumte ich von Kasmuna. Es war kein guter Traum.

14
    IN DER GEGEN-STADT.
    Niemand ist zufrieden mit der Ausbeute dieser Nacht in Cordoba, nach dem jüdischen Feiertag.
    Unzufrieden sind die Bärtigen, die sich mit noch mehr Wucht als beim letzten Mal auf die Judería stürzen wollten und sich einer »Festung« gegenübersahen. Die Zugänge verbarrikadiert, und überdies noch Wachen aus der Truppe der Prinzessin davor.
    So hatten sie sich diesen Akt nicht vorgestellt!
    Und überall in der Stadt waren die Straßen leerer als sonst. Offenbar hatte man die Schutzmaßnahmen für das Judenviertel richtig gedeutet und auch die eigenen Tore und Türen verschlossen, Bäder und Hurenhäuser dichtgemacht. Die Gotteskrieger konnten nicht viel mehr ausrichten als lärmen.
    Unzufrieden sind auch die Straßenreiniger, die Säuberer mit ihren Karren. Die Ausbeute, die sie zu den Ausgegrenzten bringen können, ist gering.
    Und wenig Zufriedenheit zeigt der Mann, den sie den König nennen, denn es gibt so gut wie keine Ware.
    Den Karrenmännern war er schon immer unheimlich, so, wie ihnen jemand, der Macht hat, welcher Art sie auch sei, eben unheimlich ist. Aber diesmal ist er zornig, der König, und in seinem Zorn beängstigt er sie sehr.
    Er steht da, hoch aufgerichtet, bedrohlich, sein nackterOberkörper und sein kahler Kopf glänzen im Licht der aufgehenden Sonne, und seine Stimme tönt metallisch.
    Er sagt: »Die Stadt Cordoba taugt nichts. Jeden Tag, den Allah, der Allmächtige, vergehen lässt, füllt sich unsere Gegen-Stadt«, (so sagt er), »mit mehr Flüchtlingen aus den Straßen und Gassen, durch die ihr täglich fahrt. Die Sklaven laufen ihren Herren davon, weil sie schlecht genährt und viel geschlagen werden. Die Zahl der Verbrecher, die man für Diebstahl oder aufmüpfige Reden mit Handabhacken, Augenausstechen oder Ohrenabschneiden straft, nimmt zu« (so sagt er), »und nun beginnen auch noch die kleinen Handwerker, Schankwirte und Kaufleute ihre Gewölbe zu schließen, ihren geringen Kram zusammenzupacken und sich bei Nacht und Nebel zu uns herauszuschleichen, weil ihnen der Steuereintreiber im Nacken sitzt oder ihre Kinder nach Brot schreien, und sie können die Mäuler nicht stopfen, oder beides.«
    Die Karrenmänner ducken sich unter dem Blick dieser Augen, die nicht zu blinzeln scheinen, und unterm Klang dieser unerbittlichen Stimme.
    »Diese meine Stadt wimmelt von Männern ohne Frauen. Und das, was sie zum Lebensunterhalt braucht, beschaffen nun einmal bis

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