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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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aufgeschlitzt. Wahrscheinlich haben sie gedacht, er hätte Gold oder Juwelen verschluckt, aber das ist doch gar nichtlogisch. Er wusste ja nicht, dass sie kommen. Wozu hätte er seine Pretiosen verschlucken sollen?
    Es stinkt. Ich kämpfe gegen den Brechreiz. Das gesunde Auge starrt mich an, anklagend, als mache es mir Vorwürfe. Du hast dem falschen Herrn gedient, Onkel. Ihn klage an. Aber vielleicht haben wir alle auch nur dem falschen Gott gedient. Vielleicht ist es ein grundsätzlicher Irrtum, jüdisch zu sein.
    Merkwürdig, dass ich bisher, seit ich aufgewacht bin, noch kein einziges Mal das Verlangen hatte, ein Gebet zu sprechen.
    Und nun   – Nabila und die Kinder.
    Das Schlimmste wäre, es würde noch jemand von ihnen leben. Was sollte ich anstellen mit der Mutter, mit einem der Mädchen?
    Ich gehe weiter in diesem Albtraum, gehe in die Räume des Frauentrakts, suche sie. Meine Glieder schlottern, ich muss mich an der Wand abstützen. Die Wand ist blutig.
    Sie sind tot, alle drei. Dafür wenigstens sollte ich dem Herrn danken . . .
    An Blut auch hier kein Mangel.
    Die kleinen Mädchen sind schrecklich zerrissen. Am Ende hat man ihnen die Kehlen durchtrennt.
    Nabila lehnt mit gespreizten Beinen an der Wand, ihr blutiger Schoß ist mit einem Pfahl zugestopft, die Arme mit Stricken am Fenstergitter über ihr festgebunden. Ihre weit aufgerissenen Augen tragen den Ausdruck namenlosen Schreckens. Offenbar hat man sie zunächst gezwungen, zuzusehen, was man den Kindern antat. Man hat ihr nicht nur den Hals durchgeschnitten, sondern ihr auch noch die Brustwarzen entfernt; gähnende, blutige Schlünde.
    Die ersten Fliegen kommen durchs offene Fenster.
    Nun muss ich mich doch erbrechen.
    So viel Blut an meinen Händen und Füßen. Es ist klebrig. Ich muss mich irgendwo waschen.
    Ich verlasse das Haus, gehe an den Totschlägern vorbeinach draußen, als seien sie meine langjährigen Hausgenossen; wieso sie mich nicht bemerken, weiß ich nicht, vielleicht hat mich undurchdringliches Dunkel umfangen. Zu wünschen wäre es ohnehin.
    Der Pfau ist endlich tot.
     
    Durch den Park hallen Axtschläge. Sie roden Palmen und Tamarinden, reißen Blumen und Sträucher aus, zertrümmern die Mosaiken der Innenhöfe, durch die ich mich bewege in diesem endlosen Albtraum, werfen Erde und Unrat in die Springbrunnen.
    Der Brandgeruch ist beißend. Rauch zieht in Schwaden durch die Gärten, hängt wie Nebel zwischen den Bogengängen. Sind wir noch auf dieser Erde, oder habe ich mich in eine andere Welt verirrt, eine Welt, in der Unvorstellbares geschieht, eine Welt, in der jemand die Zeit angehalten hat?
    Inzwischen ist die Sonne aufgegangen. Es gibt sie noch, und sie treibt magische Spiele mit der verschleierten Luft, unwirkliche Schatten, geisterhafte Durchbrüche. Alles geht seinen Lauf, nur für mich haben sich Raum und Zeit verschoben, und die Dinge zeigen mir ein fremdes Gesicht.
    In meine Dunkelheit gehüllt, gehe ich an Plünderern vorbei, die das, was an beweglichen Schätzen da ist, zusammenraffen und in große Säcke, Körbe und Truhen füllen; was man nicht mitnehmen kann, wird zerstört.
    Auch sie nehmen mich nicht wahr. Nach der Mordlust sind sie bei der Gier angekommen.
    Ein paar Soldaten sind dem Feuer entronnen. Sie wehren sich verzweifelt gegen eine triumphale Übermacht. Fliehen oder werden hingemetzelt.
    Eine Koppel edler Pferde wird von ein paar Kerlen mit der flachen Klinge den Weg zur Stadt hinuntergetrieben; die Tiere sind außer sich vor Angst und Entsetzen.
    Wo ist meine Angst? Wo mein Entsetzen?
    Als Letztes jagen sie den Schimmel des Nagid vorbei. Sie müssen ihn nicht antreiben, denn an seinem Schweif schleppt er zwei scheppernde Käfige hinter sich her. In ihnen flattert, gurrt und kreischt es: Das gesamte Kolumbarium, alle Tauben der Post des Wesirs von Granada, wird so in die Kochtöpfe der Weiber auf dem Albaycin geschleift.
    Der Schimmel schreit in Panik. Sein Maul und seine Augen sind weit aufgerissen. Er schlägt aus und buckelt, aber er kann der Hölle, die man an ihm festgemacht hat, nicht entrinnen.
    So wenig wie wir.
    Ich gehe weiter. In aller eisigen Ruhe. Will endlich einen Fleck finden, wo ich mir in Ruhe Hände und Füße vom Blut reinwaschen kann. Auch diesen Umhang will ich loswerden. Er stört mich. Wohl deswegen, weil sich sein Saum mit Blut vollgesogen hat und er nun so bleischwer an mir hängt und mich im Gehen behindert.
    Und dann bin ich urplötzlich im Palast, auf dem Innenhof mit dem

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