Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
meinen Augen ist Phil derjenige, dem Unrecht getan wurde.«
Ihre Mutter seufzt.
»Es ist so viel komplizierter als das, Valentina. Wenn du älter bist und vielleicht ein paar Jahre mit jemandem verheiratet warst, dann wirst du verstehen, wie es zwischen Phil und mir war, als ich nach Berlin gefahren bin.«
Valentina schiebt sich einen Bissen Steak in den Mund. Es ist zart und blutig. Sie spült es mit einem Schluck Rotwein hinunter, versucht die Bitterkeit und die Wut zu ertränken, die sie in ihrem Mund schmeckt. Ihre Mutter nimmt sich ein Stück Pommes frites aus der Schale, aber anstatt es zu essen, hält sie es zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Als ich Phil kennenlernte, war ich noch so jung, Valentina. Ich war sehr unerfahren«, sagt Tina, während sie mit ihrem Kartoffelstäbchen herumfuchtelt. »Wir waren insgesamt zwanzig Jahre zusammen. Phil war sehr beschäftigt mit seiner Arbeit, als ich nach Berlin ging … ich war sehr einsam … ich …« Sie lässt das Pommes-Stückchen auf ihren Teller fallen.
»Ich will die Gründe dafür nicht hören«, faucht Valentina. Sie weiß, dass sie hart zu ihrer Mutter ist, aber sie hatte Phil gemocht, als sie ihn in London traf. In gewisser Weise ist sie wütend darüber, dass er nicht ihr richtiger Vater ist. Ihr geht der Gedanke durch den Kopf, dass einer der Gründe, weshalb sie Mattia nicht sehen will, Eifersucht ist. Ihr Bruder hat einen Vater, und eine Beziehung zu ihm, während sie nichts von beidem hat.
Tina senkt betreten ihren Blick und stochert in dem Salat auf ihrem Teller. Zu ihrer Verärgerung bemerkt Valentina, dass sie gar nichts isst. Dieses Spiel mit dem Essen, das ihre Mutter immer gespielt hat, macht sie rasend. Große, aufwendige Mahlzeiten zu bestellen und sie dann nicht anzurühren. Valentina würde deswegen am liebsten jeden einzelnen dieser fettigen Pommes frites in sich hineinstopfen.
»Erzähl mir einfach von meinem Vater. Wer ist er?«
Ihre Mutter räuspert sich, blickt ein wenig unbehaglich.
»Er war ein sehr begabter Musiker. Im Ostblock war er ein berühmter Cellist. Sein Name war Karel Slavik. Seine Mutter war Deutsche und sein Vater Tscheche. Er lebte in Ostberlin. Er hatte wunderschöne Hände, solch unglaublich kräftige Finger …«
Ihre Mutter wendet den Blick von ihr ab, sieht aus dem Restaurant auf den belebten Gehsteig draußen.
»Er war jünger als ich«, sagt sie.
»Wie viel jünger?«
»Zehn Jahre. Er war fünfundzwanzig. In der DDR galt er als Wunderkind. Als ich ihn kennenlernte, hatte er bereits mehrere berühmte Aufnahmen gemacht. Er war ein überzeugter Verfechter des Sozialismus.«
»Und wie hast du ihn kennengelernt?«
»Ich habe ein Konzert von ihm in Ostberlin besucht. Ich war für ein Modeshooting in Westberlin, und eines der Models hatte eine Cousine, die auf der anderen Seite der Mauer lebte. Ich wollte gern sehen, wie es dort war, na ja, eher, wie die Leute waren.«
Valentina versucht, sich ihre glamouröse, konsumorientierte Mutter mit diesem kommunistischen, zehn Jahre jüngeren Musiker in Ostberlin vorzustellen. Vielleicht liegt es an dem Film Der Himmel über Berlin , den sie so gern mag, aber sie hat sich Ostberlin immer in Schwarz-Weiß vorgestellt. Dieser junge Mann muss ein so völlig anderes Leben geführt haben als ihre Mutter. Er muss unverdorben von der Korruption des Westens gewesen sein. Und doch war Tina Rosselli einfach dort angerauscht und hatte sich von diesem armen Karel Slavik genommen, was sie wollte. Allmählich wird ihr das Bild klarer.
»Wie konntest du nur so verantwortungslos sein?«, fragt sie ihre Mutter.
Ihre Mutter zuckt zusammen, als wäre sie das Kind, das von einem Elternteil gescholten wird.
»Wie konntest du dich von einem Ostdeutschen schwängern lassen, jemandem, von dem du wusstest, dass er sein Kind nie würde aufwachsen sehen können … es sei denn natürlich, du würdest auf einmal eine Kommunistin werden und zu ihm ziehen«, bemerkt sie sarkastisch, denn die Vorstellung, dass ihre Mutter je eine ihrer Freiheiten aufgeben könnte, ist absurd.
»So war es nicht, Valentina. Es war ungeplant. So etwas kommt vor.«
Ich weiß , meldet sich eine Stimme in Valentina zu Wort, und auf einmal wird sie überwältigt von dem Bedürfnis, ihrer Mutter zu erzählen, wie sie ungeplant schwanger wurde, wie sie eine Fehlgeburt hatte, und wie Thomas ihr darüber hinweghalf. Seine Liebe hatte sie gerettet und am Leben erhalten. Wenn sie ihr das erzählen könnte, dann
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