Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
stoppeliges dunkles Haar, breite Wangen und die strahlendsten blauen Augen, die sie je gesehen hat. Er ist nicht sehr groß, aber sie kann sehen, dass er unter seinem weiten Pullover mit dem rot-schwarz-weißen Zickzackmuster und den kleinen silbernen Knöpfen am Kragen nur aus Muskeln besteht.
»Hei«, grüßt er auf Norwegisch.
»Hallo«, erwidert sie auf Englisch.
»Woher haben Sie denn Ihr Bier?«, wechselt er ins Englische über.
»Das ist mein eigenes«, sagt sie. »Ich habe es in dem Laden gekauft, bitte bedienen Sie sich.« Sie deutet auf eine Tüte neben ihrem Stuhl. »Inzwischen ist es vielleicht ein bisschen warm.«
Er nimmt sich ein Bier und reißt den Deckel mit bloßen Händen runter. Sie zieht die Augenbrauen hoch.
»Sie haben kräftige Hände«, meint sie.
»Ja, ich arbeite viel im Freien mit Rentieren, da muss man kräftig sein.«
»Sind Sie ein Rentierhirte?«, fragt sie ihn ungläubig.
Er nickt.
»Dann sind Sie ein Sami?«
Sie hat sich schon immer für die Sami interessiert, ein indigenes Volk, das am nördlichsten Rand Europas lebt, in einem Gebiet, das sich über Norwegen, Schweden, Finnland und Russland erstreckt.
»Ja, das bin ich. Ich habe mein ganzes Leben hier gelebt.«
»Mein Gott, wie können Sie das? Ich meine, dieser ganze Schnee, und die Kälte und Dunkelheit. Wie halten Sie das bloß aus?«
»Das ist das Einzige, was ich kenne, und ehrlich gesagt liebe ich es. Wenn ich wegfahre, vermisse ich den Norden. Ich glaube, es liegt mir im Blut.«
»Na ja, ich bin eindeutig eine Südländerin«, erwidert sie, während sie es sich auf ihrem Sessel bequem macht. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich finde es hier kalt, deprimierend und langweilig.«
Er schweigt einen Moment. Sie trinken zusammen ihr Bier und sehen fern.
»Ich kann Ihnen eine Seite des Nordens zeigen, die nicht langweilig ist, und nicht kalt«, sagt der Mann fast unhörbar. »Und alles andere als deprimierend.«
Tina wendet sich zu ihm um und bemerkt seinen eindringlichen Blick. Sie mustert ihn genau, und sie spürt dieses Verlangen tief in sich. Sie braucht jetzt Sex. Aber wohin könnten sie gehen? Hat er ein Zimmer in diesem Hotel?
Er steht auf, bietet ihr seine Hand.
»Ich kann Sie an einen Ort bringen, den Sie nie vergessen werden.«
»Oh, wirklich?« Sie sieht unter gesenkten Wimpern scheu zu ihm hoch.
»Aber zuerst müssen wir uns unsere Schneekleidung anziehen.«
»Wir müssen das Hotel verlassen?«
Sie denkt an Valentina, die oben in ihrem Doppelbett schläft. Sie sollte nicht einmal hier unten in der Lounge sein, geschweige denn das Hotel verlassen, aber der Sami-Mann steht genau vor ihr und sieht auf eine Art auf sie hinunter, die ihr keinen Zweifel daran lässt, dass er ihr Lust bereiten will. Sie beißt sich unentschlossen auf die Lippe.
»Ist es weit?«, fragt sie.
»Nicht weit«, erwidert er.
Sie überlegt, dass im Grunde nichts dagegen spricht. Valentina schläft. Sie wacht nachts nie auf, und schließlich ist sie kein Baby mehr. Sie ist schon acht Jahre alt. Wann wird sich Tina eine solche Gelegenheit wieder bieten?
»Okay«, sagt sie.
Sie zieht ihre Schneehose, Jacke, Mütze, Handschuhe und Stiefel an, und jetzt fühlt sie sich alles andere als sexy. Sie stapfen aus dem warmen Hotel hinaus in die Polarnacht. Die Kälte schlägt ihr ins Gesicht. Es muss mindestens zehn Grad unter Null sein, wenn nicht mehr. Der Sami-Mann schnallt sich ein Paar Skier an.
»Oh, ich habe gar keine Skier«, meint Tina.
»Das macht nichts, stellen Sie sich einfach hinten auf meine, und legen Sie mir die Hände um die Taille. Ich kann uns dorthin bringen.«
Sie stellt sich vorsichtig hinter ihm auf die Skier, legt die Hände um ihn, und er stößt sich ab.
Sie presst ihren Körper in der Schneekleidung an seinen, und ihre Beine werden mit ihm abwechselnd vor- und zurückgeschoben, während sie durch den Schnee gleiten. Es ist ein berauschendes Gefühl, als er das Tempo beschleunigt und sie fort von dem Hotel und den anderen Gebäuden bringt, die den Rand von Tromsø säumen, in die Dunkelheit und die leere arktische Tundra. Als sie zum Himmel hochblickt, sieht sie die Polarlichter über ihnen schimmern wie einen wogenden Vorhang aus Farbe und Funken. Sie fühlt sich, als wäre sie in einem der Märchen ihrer Tochter. Es erinnert sie an die Geschichten, die sie sich von ihrer Mutter so gern vorlesen ließ, als sie ein kleines Mädchen war, von fernen Ländern und exotischen Prinzen.
In der Ferne
Weitere Kostenlose Bücher