Valentine
du dich mit mir einlässt.« Auf Fragen zu antworten war anscheinend nicht ihre Stärke. Aber wenigstens löcherte sie ihn ihrerseits nicht, warum er es wie selbstverständlich akzeptierte , eine r Vampir in gegenüberzusitzen . »Vielleicht sauge ich dir in der nächsten Minute schon das Blut aus deiner Halsschlagader.«
Maurice hielt kurz den Atem an. Nein, das würde sie nicht tun . Nicht vor all diesen Leuten. »Nur zu, das ist ziemlich erotisch. R echne damit, dass ich dich dann packe und küsse.«
Sie stutzte, lächelte verlegen und erwiderte dann mit gesenktem Blick : »So jemand wie du ist mir noch nie begegnet.«
Mir auch keine Frau wie du. Wenn sie dahinterkam, dass sein Vater paranormale Wesen jagte , würde er sie nie wiedersehen. Vor allem musste er sie vor der Sondereinheit schützen.
»Verrat e mir – wie hast du das gemacht, gestern Abend?«
Valentine zögerte sichtlich. Inzwischen lag ihre Hand ganz locker in seiner , und ihre Finger hatten seine Wärme angenommen . Er streichelte sanft mit dem Daumen über ihre Handoberfläche , und es schien ihr zu gefallen. »Wir können uns von einem Ort an einen anderen materialisieren.«
Maurice schoss ein klärender Gedanke durch den Kopf. »Du – warst also wirklich in einem Hohlraum eingeschlossen?«
» Ja, es ist schwierig, wenn man die Umgebung nicht kennt.« Sie machte eine Handbewegung, die Verlegenheit ausdrückte. » Ich leide unter Klaustrophobie. Ich kann mich nicht dematerialisieren, wenn ich in Panik bin. Du hast mich beruhigt.«
Ihr Lächeln war umwerfend und hätte einen Eisberg zum Schmelzen gebracht .
»Und was hast du in der Krypta ge sucht ?«
Da bebte plötzlich der Boden, Tische und Bänke wackelten, irgendwo klirrte Glas. Instinktiv griff Maurice nach seinem Weinglas und hielt es fest. Ein weiteres Beben erschütterte die Bar. Eine Lampe fiel von der Decke. Splitter verteilten sich auf dem Fußboden. Einige Leute sprangen auf und riefen erschrocken durcheinander.
Valentine hingegen blieb ganz ruhig, als wäre nichts geschehen. »Genau deswegen war ich dort.«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Es gibt eine Prophezeiung vom Weltuntergang. Das hier ist kein normales Erdbeben. Es wird mit jedem Mal schlimmer werden. Die Sucher haben die Aufgabe, fünf Retter zu finden, die die Katastrophe verhindern sollen.«
Das hier war ein Film , und er befand sich mittendrin. Elfen, Vampire, Weltuntergang. Maurice wurde schwindelig. Mühsam stieß er hervor: »Und jetzt willst du mir sagen, dass du eine Sucherin bist und in Köln recherchierst?«
Valentine nickte.
Wo war er da nur hineingeraten?
Kapitel 9
Es war höchste Zeit heimzukehren. Am Horizont zeichnete sich bereits zarte Helligkeit ab. Noch acht Minuten, dann würde sich die Tür zum unteren Stockwerk verschließen , und ihr bliebe nichts anderes übrig, als die Fenster der Bibliothek mit den schweren Vorhängen zu verhüllen und den Tag dort zu verbringen. A nders hatten sie in früheren Jahrhunderten zwar auch nicht die Räume verdunkelt , wenn die Sicherheit eines Kellers oder einer Gruft nicht zur Verfügung stand. Das war lange her. Längst war ihr der Komfort ihrer persönlichen Wohnräume wichtig .
Valentine landete treffsicher genau einen Meter vor der Hauptt reppe. Zwei Stufen auf einmal nehmend , jagte sie hinauf, leise ein Lied pfeifend, und stieß um Haaresbreite mit dem Schatten zusammen, der sich soeben direkt vor dem Eingang materialisierte. Beide keuchten sie erschrocken auf und sahen sich an.
»Du bist spät dran!«, rügte Frédéric stirnrunzelnd und hielt ihr die Tür auf. »Es ist wohl nicht so schwierig, von einem Spaziergang im Park rechtzeitig heimzukehren, oder hast du das Liebesleben der Eulen beobachtet ?«
Valentine zog es vor, darauf nichts zu erwidern. Warum war er denn so zynisch? Die euphorische Stimmung, die sie beseelte , wirkte wie ein Kokon, an dem alles abprallte. Sollte ihr Bruder ruhig glauben, sie wäre im Park unterwegs gewesen.
Er folgte ihr die Treppe aus schwarzem Marmor hinunter, deren Wände mit silbern en und schwarz en Streifen tapeziert waren . Die Wände der folgenden Flure waren in einem angenehmen Dunkelrot gestrichen, dekoriert mit kunstvollen Schwarzweiß g rafiken in silbernen Rahmen, die sie gemeinsam ausgewählt hatten. Es war beruhigend zu wissen, dass stets ein schönes und vertrautes Zuhause auf sie warten würde. Solange sich die Prophezeiung nicht erfüllte. Die Türen glänzten in schwarzem Lack. Seitenflure
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