Valentine
noch immer eine Gefahr für alle Vampire darstellen! Schluss jetzt mit dem Grübeln! Ihre Gefühle schwankten zwischen Schuld und Wut. Es war nun mal so, wie es war. Ein Vampirjäger weniger bedeutete mehr Sicherheit für sie und andere paranormale Wesen. Geoffrey Boux war bewusst ein Risiko eingegangen und hatte verloren.
Prüfend starrte Valentine ihr Spiegelbild an und merkte nicht, wie ihr Bruder eintrat, bis er hinter ihr auftauchte und ihre Blicke sich im Spiegel trafen.
»Wow! Die Liebe macht dich noch schöner, Schwester.« Wie zärtlich seine Stimme dabei klang.
Hitze flammte in Valentines Unterleib auf , und ihr Gefühl schwankte zwischen Maurice und Frédéric hin und her. Sie liebte ihren Bruder über alles. Aber sie liebte ihn als Bruder, nicht als Mann. Trotzdem brachte sie dieser Moment inniger Nähe kurzzeitig vollkommen aus der Fassung , und sie traute sich nicht, etwas zu erwidern. Aus Angst, sich zu verraten.
»Du siehst fantastisch aus«, ergänzte Frédéric mit einem Lächeln, während er zurücktrat und sie mit Kennerblick von oben bis unten musterte.
Das hautenge Lederbustier, unter dem sie eine schwarze Spitzenbluse trug, betonte ihre Brüste und ihre schlanke Taille. Die Spitze begann schmal, wurde nach oben breiter, schmiegte sich ihr Dekolleté entlang und ging im Nacken in einen hohen Stehkragen über. Eine uralte , fein gearbeitete Goldkette ihrer Mutter mit einem Anhänger aus Lapislazuli schmückte ihren Ausschnitt. Zu Bluse und Bustier trug sie einen langen Rock, der über Hüfte und Po in Mini rocklänge aus Leder gearbeitet war und sich nach unten in fließendem , schwarze m Stoff fortsetzte. Bestimmt würde sie in diesem Outfit auffallen, obgleich Großstadtmenschen schon vieles gewöhnt waren und sie vermutlich für eine Gothic-Anhängerin hielten.
Problemlos materialisierten sich die Geschwister und schritten Seite an Seite auf die Wartenden zu, die mit Jeans, Pullover und Jacke zeitgemäß bekleidet warteten. Selbst Aliénor, die von Aldin gelernt hatte, ihre Flügel zu verbergen, wirkte unauffällig normal. Nur wer genau hinsah, entdeckte die zwei Schlitze im Rücken ihrer Jacke, die sich leicht aufblähten. Impulsiv reckte sie sich Frédéric entgegen, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn hingebungsvoll.
Valentine fühlte sich in der Gegenwart der anderen und Chantals Trauer zu gehemmt, um Maurice so herzlich zu begrüßen, wie sie es gerne getan hätte. Als er ihr die Entscheidung abnahm und sie in seine Arme zog, um sie innig zu küssen, gab sie nach und vergaß für Sekunden, wer und wo sie war. Sein Kuss war viel zu lustvoll, um davon unberührt zu bleiben. Jeder Zweifel, ob er sie wohl vermisst hatte, verlor dabei an Bedeutung. Sein Körper war warm und drängte sich gegen ihre Brüste. Ihre Brustwarzen reagierten darauf, indem sie sich gegen die Enge des Bustiers wölbten und so lustvoll prickelten, dass Valentine sich nur mit Mühe beherrsch en konnte, nicht vor Wonne zu seufzen .
»Du siehst toll aus«, flüsterte Maurice an ihrem Ohr, ehe sie sich aufgewühlt voneinander lösten. »Ich verblasse neben dir.« Ein Poet war er also auch? Unpassend in diesem Augenblick oder auch nicht, er empfand dieselbe Sehnsucht wie sie. Das war das einzig Wichtige für sie.
Maurice ergriff ihre Hand. Diese einfache Berührung genügte, um dem Pulsieren in ihrem Schoß Nahrung zu geben. In der Dunkelheit würde es niemand bemerken, wie sehr ihre Wangen glühten.
Chantal wirkte traurig, aber gefasst und begrüßte jeden mit einem auf die Wange gehauchten Kuss. Dann hob Maurice die Tasche hoch, in der sich die Urne befand, und ging Hand in Hand mit Valentine voraus.
Nach komplizierten unterirdischen Arbeiten war vor einigen Jahren ein neuer Eingang für die Turmbesteigung geschaffen worden, um dem jährlich en Ansturm der Hunderttausende von Besucher n gerecht zu werden. Valentine öffnete mit magischer Kraft die Tür zum Treppenabgang , der sie zunächst zu den mittelalterliche n Fundamente n hinabführte, dann über einen Tunnel durch die Fundamentmauer des Südturms . Anschließend gelang t en sie zu de r Wendeltreppe , die sie über fünfhundertneun Stufen hinaufführen würde .
»Hier, haltet mal«, bat Aliénor, ehe sie aufstiegen , und reichte jedem eine weiße Kerze, die sie aus einem Beutel hervorholte.
»Das war Aldins Idee, dass wir Kerzen mitnehmen sollten«, erklärte Chantal.
Ehe sie darum gebeten wurde, entflammte Valentine mit ihren Gedanken die
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