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Valentine

Valentine

Titel: Valentine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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seine Schwester einen Ausgleich zu ihrer Stubenhockerei benötigte. Durch d ie Konzentration auf das Wesentliche — Bewegung, Atmung, vollkommene Kontrolle — hatte sie allmählich innere Ruhe und Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten wiedergewonnen, ohne die sie sich vor kurzem bestimmt nicht allein aus dem Schloss getraut hätte. Gerade jetzt, in dieser angespannten Situation des Wartens, würden ihnen die vertrauten, über Jahrhunderte in Fleisch und Blut übergegangenen Bewegungen helfen, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
    Frédéric deutete auf zwei schlanke, leicht gebogene asiatische Schwerter. Jede dieser Klingen hatte einen unermesslichen Wert. Sammler würden dafür ein Vermögen bezahlen. Nur würde ihr Bruder niemals eine dieser Waffen veräußern. Jede einzelne hatte ihre eigene Geschichte. Auch dies war ein Grund, warum Frédéric sich irgendwann entschlossen hatte, diesen gut gesicherten Schrank für ihre Aufbewahrung erbauen zu lassen.
    Valentine wusste, dass sie, wenn er diese Schwerter auswählte, ohne Schutzkleidung kämpfen würden. Umso konzentrierter und umsichtiger würden sie gegeneinander antreten, fast wie in einem Schaukampf. Keiner von ihnen hatte dabei jemals eine Verletzung davongetragen.
    Gerade hatten sie mitten im Raum Stellung bezogen und klirrend zum ersten Mal die Klingen gekreuzt, als die Melodie von Frédérics Handy ertönte. Beide erstarrten in ihrer Bewegung, im Blick des anderen gefangen. Frédéric löste sich als E rster und trat einen Schritt zurück, ehe er sein Schwert senkte, eine Verbeugung andeutete und sein Telefon aus der Hosentasche holte. »Verzeih.«
    Stirnrunzelnd sah Valentine ihm zu. Wieso hatte er es nicht wie sonst in seinem Zimmer zurückgelassen, um nicht abgelenkt zu werden? Zumal Aliénor bestimmt nicht anrufen würde, da sich im Elfenland keine Verbindung aufbauen ließ.
    »Oui?«
    Seinem freudigen Gesichtsausdruck entnahm Valentine, dass es sich bei dem Anrufer aber doch um Aliénor handelte. Neugierig verfolgte sie, wie sein Mienenspiel zwischen Erleichterung und Anspannung wechselte. Vor jedem anderen hätte er seine Empfindungen verborgen.
    »Aliénor, wann?«
    Sie erwiderte etwas, und obwohl Valentine nicht verstand, was die Elfe sagte, hörte sie, dass ihre Schwägerin überaus schnell und aufgeregt sprach. Frédéric nickte stumm, als könne sie es sehen.
    »Ist deine Mutter sich sicher, dass sie es so haben will?« Wieder horchte er.
    »Natürlich, wir werden da sein. Bis gleich, mon amour.«
    Er legte auf, ging zurück zum Schrank, wischte Klinge und Griff mit einem weichen Tuch ab und hängte das Schwert an seinen Platz zurück.
    »Sagst du mir bitte, was los ist?«, fragte Valentine voller Ungeduld.
    »Wir treffen uns in zwei Stunden am Kölner Dom zu einer Beerdigung.«
     
    Nur selten in ihrem Leben hatte Valentine so unschlüssig vor ihrem Kleiderschrank gestanden. Dabei spielte es gar keine Rolle, was sie anzog. Für die Beerdigung dieses verfluchten Vampirjägers war selbst ein Lumpen zu schade. Würde es sich nicht ausgerechnet um Maurice ’ Vater handeln, hätte sie sich geweigert mitzugehen. Um seinetwillen würde sie daran teilnehmen, um ihn mental zu unterstützen , und nur für Maurice wollte sie die Schönste weit und breit sein.
    Es war lächerlich. Seit wann machte sie sich Gedanken darüber, unbedingt gefallen zu wollen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen? Wenn er dieselbe Sehnsucht empfand wie sie, spielte Kleidung überhaupt keine Rolle. Er würde es vermutlich nicht einmal wahrnehmen, sondern sie sofort küssen … Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Seit sie wusste, dass sie sich in Kürze wiedersehen würden, nahm der lustvolle Schmerz in ihrem Körper in einem beinahe unerträglichen Maße zu. Sie fühlte seine Hände, wie sie zärtlich über ihre Haut glitten , und seine Küsse , die brennende Male hinterließen. Niemals, nach all den Jahren der Enthaltsamkeit und Angst vor sexueller Berührung, wäre sie auf die Idee gekommen, dass dieses körperliche Bedürfnis wundervoll und drängend sein könnte.
    Nein, es handelte sich um die Beerdigung seines Vaters, an etwas anderes würde ihr Geliebter sicherlich nicht denken. Auch wenn diese Vater-Sohn-Beziehung nicht ideal verlaufen war, so war es immerhin sein Vater, den er zu Grabe trug. Noch dazu durch eigene Schuld.
    Valentine fühlte sich selbst ebenfalls nicht unschuldig dabei. Hätte sie sich nicht mehrfach mit Maurice getroffen, würde sein Vater

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