Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
gar nicht auf sie. Herr Pflaume und Herr Birne duckten sich, als sie ihn sahen. Der Bürgermeister war wieder zur Vernunft gekommen und voller Selbstvertrauen. Seine Haare waren kunstvoll frisiert und seine Zähne strahlend weiß. Seine Zeit in der Kneipe war eine ferne Erinnerung, eine Anomalie seines ansonsten triumphalen Lebens. Er forderte Valeria durch einen Wink auf, ihr Fenster aufzumachen, und sie tat ihm den Gefallen.
»Guten Abend, Fräulein Valeria.«
»Guten Abend, Bürgermeister.«
»Guten Abend, Bürgermeister«, sagten die beiden Män ner neben ihr. »Schön, Sie wiederzusehen. Sie sehen gut aus. Wie geht es der gnä’ Frau?«
»Verdammte Scheiße!«, schrie der Bürgermeister sie an. Dann sah er Valeria an und entschuldigte sich. Er blickte wieder zu den Männern. »Sagt Ibolya, dass sie bis morgen alles geregelt haben muss, sonst veranlasse ich, dass der Oberinspektor die Kneipe für immer schließt. Es reicht allmählich. Nichts als Ärger gibt es dort. Ich mach euch beide verantwortlich, wenn es jetzt noch weiter Probleme gibt.«
Herr Pflaume und Herr Birne sahen sich an und schüttel ten die Köpfe.
»Wir haben nichts damit zu tun, Bürgermeister«, protestierten sie. »Wir waren gerade erst gekommen, weil wir Karten spielen und von unseren Frauen wegwollten. Es war ein einziges Chaos. Alle schrien durcheinander. Man konnte nicht Karten spielen. Jedenfalls nicht heute Abend.«
»Zum Teufel damit«, schrie der Bürgermeister sie an und entschuldigte sich bei Valeria. »Hoffentlich brennt das Lokal nieder. Das meine ich ernst. Ich hab jetzt keine Zeit, mir Gedanken zu machen. Betrachtet euch als Polizeistellvertreter, und zwar alle. Tut alles Nötige. Helft dem Oberinspektor, alles wieder in Ordnung zu bringen.«
Herr Pflaume und Herr Birne nickten ihm lächelnd zu. Auch Valeria konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie sollte also Hilfspolizistin werden! Wie wunderbar. Sie zog an ihrem Schlüsselbund. Sie warf einen verstohlenen Blick auf den Bürgermeister und beschloss, ihre Meinung über ihn zu überprüfen, falls er sie in den nächsten Wochen nicht zu sehr ärgerte.
»Und sperrt diesen schmutzigen Schornsteinfeger ein«, sagte der Bürgermeister zum Oberinspektor. »Man hat mir ausführlich erzählt, dass er Sie misshandelt hat, Fräulein Valeria.«
»Ja«, sagte Valeria. »Ich habe fest vor, Anklage zu erheben.«
»Und wenn er wegläuft?«, fragte der Oberinspektor.
»Dann müssen Sie ihn finden!«, rief der Bürgermeister. Wieder landete seine Spucke auf der Backe des Mannes. »Wir kriegen das Glück noch aus dem Scheißkerl raus, selbst wenn wir es rausquetschen müssen.«
Die anderen Männer lachten und gratulierten dem Bür germeister zu seinem verbesserten Erscheinungsbild und seiner Professionalität. Valeria schüttelte den Kopf über sie. Angeberei war ganz überflüssig. Sie beruhigten sich wieder. Der Oberinspektor setzte sich schnell wieder hinters Steuer. Der Bürgermeister machte kehrt und marschierte zum Hotel zurück.
»Äh, gute Nacht, Bürgermeister!«, riefen die beiden Männer auf dem Rücksitz hinter ihm her und winkten. »Wir kümmern uns drum, warten Sie’s ab. Und Sie sind zu Recht wütend auf Ibolya. Dass sie Ihrer Frau von der Friseuse erzählt hat, war nicht gerade die feine Art. Überhaupt nicht. Sie sollen nur wissen, dass wir das gar nicht in Ordnung fanden.«
Der Bürgermeister blieb stehen und drehte sich um.
»Was?«
Die beiden Männer zuckten zusammen. Sie wussten selbst nicht, warum sie das plötzlich ausgeplaudert hatten. Vielleicht vor lauter Aufregung über ihre neue Aufgabe.
Der Bürgermeister ging auf sie zu. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen starr geradeaus.
»Was sagt ihr da?«
Die Männer zögerten, sie wollten keinen Konflikt riskieren, zumal sie gerade zu Hilfspolizisten ernannt worden waren und auf eigene Pistolen hofften.
»Es stimmt, Bürgermeister«, sagte Herr Pflaume.
»Sie hat es über den Schornsteinfeger ausrichten lassen. Das hat er heute Abend in der Kneipe verkündet«, sagte Herr Birne. »Doch, wir haben uns schlecht gefühlt wegen ihr. Jetzt, wo wir Hilfspolizisten sind, müssen wir Ihnen solche Dinge wohl sagen.«
Der Bürgermeister sah jetzt klar. Er stellte sich jedes Gespräch vor, das Ibolya mit dem Schornsteinfeger geführt hatte. Er stellte sich Gespräche vor, die nicht stattgefunden hatten. Er wandte sich an den Inspektor.
»Verhaften Sie sie.«
Der Oberinspektor nickte. »Wie lautet die
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