Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
armer kleiner Töpfer«, sagte sie. »Mein Ziegenböcklein. Es tut mir so leid. Bitte, bitte verzeih mir.« Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn auf die Wange. »Ich hab ihn angestachelt, ja. Es tut mir sehr leid. Ich war böse auf dich und sie. Es tut mir so leid.«
Valeria stützte den Nacken des Töpfers. Für ein paar kurze Augenblicke umschlangen ihn beide Frauen. Ein paar Männer in der Menge kicherten.
»Na, Ibolya, du steckst ja ganz schön in der Scheiße«, erklärte der Oberinspektor. »Der Bürgermeister will dich aufspießen.«
Der Töpfer stöhnte.
Ibolya schluchzte in ihre Hände. Valeria schluchzte nicht, aber sie hatte Angst und zitterte leicht. Sie musste daran denken, dass die Welt ein erschreckender Ort war.
Ferenc zerrte an Ibolyas Schulter.
»Sie sind leider verhaftet«, sagte der Oberinspektor.
»Ach, lasst sie in Ruhe«, murmelte der Töpfer. »Sie trägt die Schuld nicht allein. Was mir widerfahren ist, hab ich mir auch selbst zuzuschreiben.«
Valeria streichelte sein weißes Haar.
»Also ehrlich gesagt würd ich euch alle gern einlochen«,sagte der Oberinspektor, »aber ihr seht aus, als wärt ihr genug gestraft, und soweit wir wissen, ist Ibolya die Drahtzieherin. Sie haben sich übernommen, meine Liebste.«
»Ibolya, geh mit Ferenc«, sagte der Töpfer, ohne auf den Inspektor zu achten. »Du musst hier weg.«
»Moment mal. Ich kümmer mich um sie«, wandte der Oberinspektor ein. »Sie bekommt mildernde Umstände.«
»Komm, Zoli, sie hat doch nichts getan. Lassen Sie sie doch in Ruhe«, sagte der Töpfer. »Ich erhebe keine Anklage gegen sie.«
»Der Bürgermeister hat es so angeordnet. Und es ist mehr als das. Er weiß alles über Ibolya. Wirklich alles. Wir sind gekommen, um die Kneipe niederzubrennen.«
Ibolya nahm die Hände vom Gesicht. Sie sah den Inspektor an. Es war tatsächlich vorbei. Sie hatte verloren. Sie hatte alles verloren. Sie blickte umher. Sie saß in der Falle und schüttelte den Kopf. Es musste einen Weg geben, einen Ausweg. Sie griff nach Ferenc’ Arm.
»Zum Teufel mit dem Bürgermeister«, kam Ferenc ihr zu Hilfe. »Und erzählt ihm ruhig, dass ich das gesagt habe. Die Bewässerungsanlage, die er mir besorgt hat, war Mist. Hat all meine Rüben kaputtgemacht. Ibolya geht mit mir fort. Wir verlassen das Dorf heute Nacht. Ist das für euch ein Problem?«
Ferenc war ein paar Köpfe größer als der Oberinspektor. Die beiden Männer blickten einander durchdringend an. Der Stellvertreter fasste an seinen Revolver. Die Leute fingen an, Wetten abzuschließen.
»Lasst sie gehen«, sagte der Töpfer. »Lasst sie einfach gehen und ruft mir einen Arzt!«
Der Oberinspektor legte die Hand auf den Arm seines jungen Stellvertreters, um ihn zu beruhigen. Er nickte, als hätte er verstanden, was der Töpfer gesagt hatte. Vielleicht nickte er auch Ferenc zu. Oder er nickte sich selbst zuliebe,um nicht zu vergessen, dass ihm dies alles viel gleichgül tiger war, als alle dachten. Der Oberinspektor wollte nicht wegen des Bürgermeisters in die Bredouille geraten. Ganz gleich wem das Nicken galt, Ferenc nickte zurück und zog Ibolya dicht an sich. Er schlang die Arme um sie.
»Vielen Dank, Töpfer«, sagte Ferenc.
Der Töpfer lächelte ihnen zu.
»Benimm dich gut, Ibolya«, sagte er. »Ich denke, du hast hier einen echten Mann gefunden.«
Ibolya sah Ferenc argwöhnisch an, dann den Töpfer. Sie sah den Oberinspektor an und Valeria.
»Ich glaub, du kriegst ihn, du alte Ziege.«
Valeria nickte.
»Hab ich doch gleich gesagt.«
Ibolya gab nach. »Vermutlich schon. Viel Glück!«
Der Oberinspektor drehte sich um. Er klopfte seinem Stellvertreter auf die Schulter, und der drehte sich ebenfalls um.
»Hat jemand den Arzt gerufen?«, fragte er die Männer.
Sie schüttelten alle den Kopf und zuckten die Achseln.
Der Oberinspektor sah seinen Stellvertreter an.
»Fahr doch zum Arzt und bring ihn her«, sagte er.
Der junge Mann nickte, rannte zum Wagen und brauste davon.
Ibolya fasste den Oberinspektor an der Schulter. Er drehte sich nicht zu ihr um.
»Danke«, sagte sie.
Er nickte und entfernte sich ein paar Schritte.
Sie schaute zu ihren Stammgästen hoch, die um sie herumstanden, und lächelte sie an.
»Also, Freunde, das wär’s dann wohl. Sie haben gewonnen. Wenn ihr einen trinken wollt, müsst ihr von jetzt an in überteuerte Hotelbars.«
Die Männer stöhnten und fluchten. Ibolya blickte zumTresen. Sie war traurig, aber vorbei war vorbei. Sie lächelte
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