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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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Schornsteinfeger hinüber und rüttelte ihn an der Schulter.
    »He, du da, alles in Ordnung? Die Männer sind heute Abend wie die Verrückten. Am besten wir verstecken uns, du kannst in meiner Werkstatt übernachten und dich morgen früh auf den Weg machen.«
    »Sie haben mir mein Geld weggenommen«, jammerte der Schornsteinfeger. Er machte ein Auge auf, konnte aber nichts fokussieren, es rollte in der Augenhöhle umher. Dem Töpfer schauderte. Der kleine Mann war wie ein Wahnsinniger.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte der Töpfer noch einmal und schüttelte ihn.
    »Sie haben mein Geld geklaut!« Sein Auge flackerte und verweilte dann auf dem Töpfer. Der Schornsteinfeger schien es plötzlich auf ihn richten zu können und zog wütend die eine unversehrte Augenbraue hoch.
    »Du!«
    »Um Geld sollten wir uns jetzt keine Sorgen machen. Wir kriegen es wieder. Wenn sie weg sind, helf ich dir hier raus.«
    »Nein«, protestierte der Schornsteinfeger und stieß ihn weg. »Ich brauch deine Hilfe nicht.«
    Der Töpfer wusste nicht, ob er ihn richtig verstanden hatte, und beugte sich zu ihm vor.
    »Sei nicht albern«, sagte der Töpfer. »Morgen früh bring ich dich zum Polizeiinspektor.«
    »Ich brauch deine Hilfe nicht.« Der Schornsteinfeger stieß den Töpfer wieder weg und klopfte ringsum auf den Boden.
    »Sei ruhig«, sagte der Töpfer. »Beruhig dich. Ich lass dich verarzten, aber sei ruhig.«
    Der Schornsteinfeger fand die zerbrochene Bierflasche. Er lächelte und stotterte, lachte und hustete.
    »Was hast du da in der Hand?«, fragte der Töpfer.
    Der Schornsteinfeger stürzte sich auf ihn. Er prügelte wild auf ihn ein und bewegte sich beängstigend schnell. Der Töpfer war gerade noch imstande, ihm auszuweichen und die Hände vor sich auszustrecken. Der Schornsteinfeger ging auf ihn los. Der Töpfer rief zu den Männern hinauf, die gerade weggingen.
    »Hilfe! Hilfe! Er hat mich geschnitten! Ferenc, er hat mich geschnitten! Ich blute. Mein Gott, ich verblute fast. Meine Hände! Helft mir!«
    Die Männer blieben stehen und drehten sich um. Sie fingen an zu fluchen und sich anzuschreien. Der Schornsteinfeger blickte wild um sich. Sein Augapfel begann wieder in der Augenhöhle zu tanzen. Er versuchte abermals, den Töp fer anzugreifen, doch diesmal trat der Töpfer um sich und erwischte ihn am Kinn. Der Schornsteinfeger drehte sich um und kroch langsam weg. Der Töpfer versuchte ihn am Bein zu packen, doch ein elektrischer Schlag schoss ihmden Arm hinauf. Seine Hand glitt vom Absatz des Schornsteinfegers. Er schrie vor Schmerz.
    Die Männer stolperten die Böschung hinunter. Zwei von ihnen holten den Schornsteinfeger sofort ein, der genug Kraft zum Rennen gesammelt hatte. Die anderen umringten den Töpfer und kratzten sich am Kopf. Der Töpfer hielt die Hände aneinander und Ferenc benutzte sein zerrissenes Hemd als Druckverband und wickelte es ihm um den rechten Arm. Sie halfen ihm auf die Beine und trugen ihn den Hügel hinauf. Sie entschuldigten sich den ganzen Weg lang und er verfluchte sie. Er sah blass und eingefallen aus. Die anderen beiden Männer hoben den Schornsteinfeger hoch und trugen auch ihn den Hügel hinauf. Sie marschierten zu Ibolyas Kneipe und setzten die Männer dort ab. Ihr Blutrausch war verschwunden. Die Männer waren jetzt völlig nüchtern. Sie fragten nach dem Inspektor, und als sie erfuhren, dass er noch nicht da war, riefen sie auf der Polizeiwache an.

XIII
     
    D ie Polizeiwache in Zivatar war ein vergessenes, baufälliges Gebäude, beim Bürgermeisterbüro direkt um die Ecke. Im neunzehnten Jahrhundert war es ein Stall gewesen. Ein schlichter Bau mit soliden Mauern und Dachschindeln, und die bogenförmigen Eingangstüren waren so hoch, dass man auf einem Pferd hätte ins Haus reiten können. An die Polizei dachte das Volk ebenso wenig wie an das Gebäude – sie bestand nur aus einem Polizisten und seinem Stellvertreter. Der Polizist ließ sich gerne mit ›Oberinspektor‹ titulieren. Seinen Stellvertreter nannte man Stellvertreter. Das Dorf brauchte eigentlich keine Polizei. Die Gewalt dort hielt sich sehr in Grenzen, und Diebstahl gab es normalerweise nicht. Gewöhnlich dienten der Oberinspektor und sein Stellvertreter dem Bürgermeister als Lakaien, wenn ausländische Würdenträger eintrafen. Sie chauffierten sie herum und brachten ihnen Getränke. Beide trugen Waffen, fühlten sich aber nicht wohl dabei. Die Folge war, dass sie überkompensierten und bei der leisesten

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