Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Provokation drohend die Waffe schwangen, vor allem der Stellvertreter. Der Polizeiinspektor war der Intelligentere von beiden. Er hatte eine Frau, eine Tochter und einen Schrebergarten, in dem er Birnen zog.
Als das Telefon schließlich klingelte, saß der Oberinspektor nicht in seinem Plüschsessel. Auch sein Stellvertreternicht. Eine halbe Stunde bevor das Gespräch kam, waren die beiden Männer eingetroffen, die Ferenc von Ibolyas Kneipe aus losgeschickt hatte. Sie schwitzten und waren außer Atem. Sie blickten sich nervös auf der Polizeiwache um und entdeckten den Oberinspektor und seinen Stellvertreter in einer Zelle beim Kartenspielen. Beide Männer waren ehemalige Klassenkameraden des Oberinspektors, aber sie wussten, dass ihnen das nicht viel half. Ihnen war klar, dass der Oberinspektor vor langem beschlossen hatte, dass er mit der Unterschicht nicht zu verkehren brauchte. Mit wem er in seinem Privatleben Umgang pflegte, verbarg er gern, um, wie er meinte, den Bürgermeister nicht zu kompromittieren und den Erfolg all seiner Bemühungen zu gewährleisten.
Noch bevor die Männer aus der Kneipe sagen konnten, was dort vor sich ging, erklärte ihnen der Inspektor, dass es ihn nicht interessiere. Er sagte ihnen, er habe keine Zeit, weil er sich für den Bürgermeister bereithalten müsse, der jeden Moment anrufen und ihn bitten könne, sich um seine ausländischen Gäste zu kümmern.
»Genau genommen solltet ihr sofort gehen«, sagte er.
Seine ehemaligen Klassenkameraden schauten auf die Wanduhr und stellten fest, wie lange es her war, seit sie die Kneipe verlassen hatten. Sie würden sich nicht von der Stelle rühren, wagten es nicht. Sie baten den Inspektor inständig, mit ihnen zu kommen.
»Heute Abend haben wir echten Ärger«, sagten sie.
Sie baten den Inspektor so lange, bis er schließlich seufzend und achselzuckend nachgab.
»Lasst uns aber erst diese Runde Gin-Rommé fertig spielen«, sagte der Chef. »Ich hab ihn fast.«
Die beiden Männer nickten, sie wussten, wie wichtig das Kartenspiel war. Sie versuchten es schnell zu Ende zu bringen, indem sie dem unglückseligen Stellvertreter halfen – zumal immer deutlicher wurde, dass der junge Mann keinguter Kartenspieler war und dass das Spiel ohne ihre Hilfe noch eine Stunde dauern würde.
»Reizend«, sagte der eine zum Stellvertreter und deutete auf eine Karte, die er ablegen sollte.
»Stellvertreter, was für ein Waschlappen sind Sie eigentlich? Ist Ihre Pistole überhaupt geladen?«, fragte der zweite Mann. Er hob ab und reichte die Karten dem jungen Mann.
Der Stellvertreter zuckte die Achseln. Er war ein gutmüti ger Bursche. Alle wussten, dass er nur Stellvertreter geworden war, weil die Bürgermeisterfrau ihn gern in Uniform sah.
Nachdem die letzte Runde des Kartenspiels durchgestanden war und der Oberinspektor seinen jungen Stellvertreter genügend niedergemacht hatte, erklärte er, dass sie jetzt gehen würden.
»Aber zuerst müssen wir bei Valeria vorbeischauen. Dort ist etwas passiert. Danach müssen wir zu meinem guten Freund, dem Bürgermeister, zum neuen Hotel.«
Die beiden Männer nörgelten: »Wir haben keine Zeit. Drüben bei Ibolyas Kneipe riecht es nach Mord.«
Der Oberinspektor sagte spöttisch: »Habt ihr einen Mord beobachtet?«
»Keinesfalls«, erwiderten die Männer.
»Hat sich denn sonst etwas ereignet?«
»Nein«, sagten die Männer verlegen. »Aber etwas wird passieren, da sind wir sicher. Dieser kleine Schornsteinfeger.«
»Meine Herren. Dass ich der Oberinspektor bin und nicht ihr, hat seine Gründe. Unser Dorf ist ein friedliches Dorf. Wir fahren zu Valeria und dann zum Bürgermeister und danach zu Ibolyas Kneipe. Macht euch keine Sorgen. Vertraut mir und meiner sechsjährigen Erfahrung.«
Die Männer waren einverstanden und folgten dem Bür germeister zu seinem Wagen.
Der Oberinspektor war nicht dumm. Er wusste genau, dass der Bürgermeister ohnedies über jede Störung verär gert sein würde. Wenn wirklich jemand ermordet worden war, fand er es am sinnvollsten, die Besuche zuerst zu machen. Er wollte nicht derjenige sein, der die schlechte Nachricht als Erster verbreitete. Wenn es Ärger gab, konnte er seinen Stellvertreter zum Bürgermeister schicken und am Tatort bleiben … wo er alles unter Kontrolle halten konnte. Ja, genau das würde er tun.
***
Die beiden Männer fühlten sich unbehaglich auf dem Rücksitz des Polizeiwagens. Sie sahen sich an, um sich gegenseitig beizustehen, solange der
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