Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Töpfers her. Sie stellten den Krug auf den Boden und rissen das Geschenkpapier ab.
»Mal sehn, was der Schuft für sie gemacht hat!«
Als das Papier entfernt war und die Dörfler den schweren Krug sahen, verstummten sie. Es war die schönste Keramik, die sie je gesehen hatten. Selbst Valeria schnappte nach Luft, als sie ihn vom Fenster aus sah.
»Oh – haben Sie den wirklich für mich gemacht?«
Der Töpfer starrte sein Werk mit feuchten Augen an und nickte.
»Ein Meisterwerk«, sagte er. »Wegen der Paprikaschoten.«
Valeria betrachtete ihn genauer. Paprikaschoten. Sie sah die Girlande, die sich um den Krug wand, um die Ausbuchtung und den Hals, und eine baumelte sogar unter der Tül le . Die Dorfbewohner glotzten. Der Krug war groß und schwarz, so schwarz wie ein Besenschrank im Keller. Und obwohl er nicht glasiert war, strahlte er. Ein paar Leute warfen die Hände in die Höhe, schüttelten die Köpfe und gingen fort. Die anderen sagten kein Wort.
Ein Dorfköter kam zu dem Krug gelaufen, hob ein Hinterbein und pinkelte dagegen. Der Mann, der am nächsten stand, wollte ihn mit einem Tritt verscheuchen; der Hund sah den Fuß und sprang zur Seite, schlug dabei gegen den Krug und warf ihn um. Man hörte ein Knirschen. Der Töp fer zuckte zusammen.
Valeria öffnete die Tür und rannte hinaus. Als sie sich bückte und eine Handvoll Steine auflas, flog ihr das Kopftuch vom Kopf.
»Mein Krug«, schrie sie.
Diesmal war der Polizeikommissar nicht zu sehen und die Menge stob auseinander und wurde dabei von Kieseln getroffen. Der Hund jaulte, als ihn ein Stein am Ohr traf. Valeria riss das Gartentor auf und lief hinaus. Sie sah denabgebrochenen Henkel, und als sie den Krug aufrecht hinstellte, das Loch an der Seite.
Valeria spürte, dass ihre Unterlippe zitterte, was sonst niemand merkte. Sie überlegte, ob man den Henkel wieder ankleben und das Loch mit Gips füllen konnte. Sie überleg te hin und her, wie der Krug zu reparieren war, konnte dann aber nur seufzen.
»Mein Krug«, murmelte sie. »Mein wunderschöner Krug.«
Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, eine kräf tige Hand. Sie drehte sich um: Es war der Töpfer. Er lächel te und schenkte ihr seine ganze Aufmerksamkeit. Er streichelte ihre Wange. Alles begann sich zu drehen und das Ziehen in ihrem Herzen fing wieder an. Wieder empfand sie Sehnsucht und wieder schmerzte ihr Mund. Er hatte sie an der Angel.
»Schön, dass du dein Haar offen trägst«, sagte er. »Ich hab dir Blumen mitgebracht.«
VII
D er Töpfer war eigentlich kein leidenschaftlicher Mensch. Zwar war er unbeschwert und gesellig, aber alles Stürmische widersprach seiner Natur zutiefst. Seine Wut, seine Liebe und sein Mitgefühl behielt er normalerweise für sich. Er verteilte seine Gefühle sparsam, allzu sparsam, wie manche meinten, dafür aber immer mit Bedacht. Wenn der Töpfer etwas empfand, dann meinte er es ernst. Nie ging er überstürzt vor, immer besonnen und mit einem Ziel vor Augen. Sorgsam und gründlich und klug. Genau wie ein Ochse. Selbst in der Beziehung zu seiner verstorbenen Frau war er sachte vorgegangen. Doch trotz all seiner Bemühungen, ein ruhiges, solides Leben zu führen, gab es kaum jemanden im Dorf, der eine dramatischere Lebensgeschichte vorzuweisen hatte. Ganz als hätten alle ringsum seine Souveränität gespürt und von allen Seiten und in höchster Lautstärke Sachverhalte geschaffen, die ihn über alle Gebühr beanspruchten. So als habe der Himmel gewürfelt, und nur ein ruhiges Naturell wie er hatte die Trauer und Wut, die sein Leben mit sich brachte, verdauen können. Es war so furchtbar traurig wie der klagende Klang eines Saiteninstruments auf einer Beerdigung: ohne jegliche Hoffnung, Leichtigkeit oder Zuflucht.
Letzten Endes war es jedoch gerade diese Unausweichlichkeit, die ihn zum Töpferhandwerk brachte. Der Töpfermusste schöpferisch tätig sein und die Klumpen unförmigen Tons waren seine Rettung. Die unermessliche, unwandelbare Traurigkeit seines Lebens war wie das Leid Christi am Kreuz und machte ihn nur milde. Er war wie aus schwerem Glas, das Sprünge hatte und angeschlagene Ecken, jedoch nie zerbrach: ein Mann, der die Hoffnung nicht verlor und der die Tragödien seines Lebens künstlerisch sublimierte.
Seine geliebte Frau Magda hatte der Töpfer als junger Mann, mit etwa achtundzwanzig Jahren, in Miskolc kennengelernt. Sie hatte dort Verwandte besucht und er war mit ihrer Cousine befreundet. Als er bei der Großfamilie
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