Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
von Mexiko. Der Bürgermeister hat das für mich arrangiert. Wahrscheinlich hör ich mit dem Obst ganz auf.«
Valeria blieb stehen und betrachtete die Kaffeesäcke.
»In der Nähe von Mexiko«, wiederholte die Marktfrau. »Ist das nicht unglaublich? Der Bürgermeister hat mir sehr geholfen. Im Umkreis von 150 Kilometern bin ich die Einzige, die diesen Kaffee vertreibt. Vielleicht muss ich sogar ins Ausland reisen! Er hat mir auch versprochen, dass ich ihn mit der Bahn versenden kann, wenn die Strecke fertig ist. Vielleicht eröffne ich sogar ein Kaffeehaus!«
Valeria nahm eine Tüte Kaffee und roch daran. Sie lächel te die Marktfrau an und nickte. Der Kaffee roch gut.
»Er kostet zweitausend Forint«, sagte die Frau. »Das ist viel, ich weiß, aber solchen Kaffee gibt es nur hier auf dem Markt. Aus Costa Rica! Etwas Besonderes. Geröstet in Österreich, aber die Kaffeebohnen stammen aus Costa Rica. Vielleicht verkaufe ich auch bald Schokolade. Probier mal.«
Valeria zuckte die Achseln und zog ein paar Geldscheine aus der Handtasche. Sie gab der Frau das Geld, nahm die Tüte und ging davon.
»Habt ihr das gesehen? Sie hat den Kaffee gekauft. Ich sag euch, in den letzten paar Tagen hat sie alles gekauft«, sagte die Marktfrau. »Und zwar wortlos. Sie hat keinen Ton gesagt. Der Töpfer hat sie völlig geschafft. Wahrscheinlich ist sie mit dem Kopf gegen das Kopfende gedonnert.«
»Vielleicht kauft sie meine Kiwis«, sagte eine andere Marktfrau. »Die verdammten Dinger faulen allmählich. Valeria! Valeria! Komm zurück! Ich hab eine neue Obstsorte, die du dir ansehen musst. Sie kommt aus Neuseeland. Bei Australien. Sie heißt Kiwi. Zwei kosten tausend Forint. Oder probier meinen neuen Joghurt! Fünfhundert Forint.«
Valeria winkte, kam zurück und kaufte wortlos die Kiwis und den Joghurt.
***
Das Marktgetuschel hatte in Windeseile die Straße erreicht. Noch ein paar solcher Tage waren verstrichen, da war es sogar bis zum Bürgermeister vorgedrungen: Valeria war krank. Wahrscheinlich geisteskrank. Ihr normalerweise spartanisches Gesicht war leicht getönt, sonnengebräunt. Ihr Gang war weniger schwerfällig, sie schwebte fast. Jemandem, der zum ersten Mal in das Dorf kam, wäre vielleicht nichts Bemerkenswertes an ihr aufgefallen, doch für die Dorfbewohner war Valerias Veränderung überdeutlich. Wo sie auftauchte, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, kam jedes Gespräch zum Erliegen und die, die nur zugesehen hatten, glotzten und tuschelten.
»Ich hab gehört, dass sie bald stirbt.«
»Sie ist die ganze Woche auf dem Markt herumgetappt. Habt ihr sie nicht gesehen? Sie hat den Verstand verloren. Verschwendet all ihr Geld für die verrücktesten Dinge.«
Valeria lief somnambul herum und die Marktfrauen wurden zwangsläufig immer frecher. Die Qualität ihrer Ware sank rapide. Selbst die holzigen Rettiche entdeckte Valeria nicht. Jedes Kind hätte die Mängel bemerkt – weiße, pelzige Flecken auf der roten Schale. Es hieß, Valeria würde sie lächelnd betrachten. Die Marktfrau, die versuchte, schnell zu ihrem Stand zurückzukommen, als sie sah, dass Valeria ihre Ware begutachtete, hätte beinah ein junges Mädchen umgerannt.
»Tut mir leid«, sagte die nach Luft ringende Frau zu Valeria und deckte ein Tuch über ihre Rettiche. »Ich hab keine Ahnung, wie sie hierhergekommen sind. Mein Mann hat heute Morgen alles aufgebaut, als ich noch nicht da war. Er wollte mir helfen.«
Valeria sagte nichts. Sie sah die Frau nicht einmal an. Sie lächelte vor sich hin und ging weg.
***
Ein paar ältere Dorfbewohner, die nichts Besseres zu tun hatten, begannen, ihr hinterherzulaufen.
»Sie pfeift alte Volkslieder«, sagten sie zu den Nachbarn. »Liebeslieder.«
»Das ist entweder die Liebe oder Alzheimer«, sagten die Nachbarn. »Vielleicht hat ihre dicke Kuh sie mit dem Huf am Kopf getroffen.«
Als die Bürgermeisterfrau Valeria zufällig anrempelte und ihre Orangen dabei auf den Boden kullerten, lächelte Valeria nur. Sie bemerkte nicht einmal den kurzen Rock der geschmeidigen jungen Frau.
»Geht es Ihnen heute gut, Valeria?«, fragte die Bürger meisterfrau . »Mein Mann hat sich nach Ihnen erkundigt.«
»Ja, mein Täubchen. Recht gut. Du siehst heute wirklich bezaubernd aus.«
Damit hatte es sich. Bevor die junge Frau anbieten konnte, Valeria zu einer Bank zu geleiten, war sie verschwunden. In der Woche nach der Begegnung mit dem Töpfer war Valeria nur einmal ausfallend geworden: Sie hatte den Metzger
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