Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Du weißt doch, wie es geht, schließlich bist du Geselle.«
»Wie bitte? Kann ich denn hier arbeiten?«
»Nein«, sagte der Töpfer. »Ich arbeite an etwas Schwierigem.«
»Schon wieder?«
»Ja. Ich brauche Ruhe. Du weißt, wie es geht, ich hab’s dir oft genug gezeigt. Geh jetzt, mach eine Teekanne.«
»Aber meine Familie«, widersprach er dem Töpfer. »Sie lassen mich nicht in Ruhe. Ich kann keine Teekanne machen, wenn mein Großvater mir dauernd im Nacken sitzt und mir seinen Zigarettenrauch in die Augen bläst. Mein Vater spuckt mich mit Sonnenblumenkernschalen an. Selbst meine Mutter zwickt mich seit neuestem. Sie können sich das nicht vorstellen.«
»Ist mir auch egal«, antwortete der Töpfer. »Wenn du die Kanne wirklich machen willst, dann schaffst du es auch. Wenn nicht, dann eben nicht.«
»Was will die Verrückte überhaupt mit der Scheißkanne?«, fragte der Lehrling verächtlich. »Sie ist nicht mal verlobt. Wem schenkt sie überhaupt Tee aus?«
Der Töpfer zuckte die Achseln. »Wer weiß? Sie hat uns bezahlt, also geh und mach ihr die Teekanne.«
Der Lehrling schüttelte den Kopf, nahm sich jedoch einen Sack Ton.
»Soll ich das mitnehmen«, sagte er und zeigte auf sein Werk.
»Nein«, antwortete der Töpfer. »Das bleibt hier, wenn du nichts dagegen hast. Es hat mich auf eine Idee gebracht.«
Der Lehrling zuckte die Achseln und ging. »Erst geh ich was trinken. Soll ich Ibolya was ausrichten?«
»Sag ihr, dass ich sie morgen besuchen komme. Nein, sag ihr, dass ich morgen vorbeischaue. Nein, warte. Sag ihr überhaupt nichts.«
Der Lehrling nickte und ging. Der Töpfer sah sich die Teekanne an und lachte. Sie sah genau wie eine Rübe aus. Selbst die Farbe hatte sein Lehrling nicht hinbekommen. Er hatte schlampig gearbeitet, sodass das Rot und das Blau sich vermischt hatten. Es mochte zwar eine schreckliche Teekanne sein, war aber genau das, was der Töpfer gesucht hatte.
»Ihr eine Rübe zu machen ist ein Kinderspiel«, sagte er.
IX
E ine Marktfrau deutete in Valerias Richtung.
»Sie sieht anders aus.«
Die anderen Marktfrauen schauten ebenfalls und nickten zustimmend.
»Wenn Ibolya sie erwischt, wird sie nicht mehr wiederzuerkennen sein.«
Die Frauen lachten.
»Sie wirkt viel ruhiger.«
»Gesetzt?«
Die Frauen kicherten.
»Entspannt.«
»Milde?«
»Könnte sein. Schon seit ein paar Tagen hat sie mich nicht mehr belästigt. Wisst ihr, im Grunde sollten wir dem Töpfer dankbar sein, dass er ihr den Hintern geknetet hat. Sie war mehr als fällig.«
»Vielleicht bleibt sie mit ihm so lange wach, dass sie ihre morgendlichen Runden nicht mehr schafft.«
»So Gott will.«
Die Frau lachte.
»Ich weiß nicht, aber ich hab gehört, Ibolya hat ihn verdroschen. Geschieht ihm recht. Wer hätte gedacht, dass er sie betrügt? Mein Mann hat mir erzählt, dass er gleich am nächsten Tag in die Kneipe gestolpert sei und überRüben geredet hat. Hat so getan, als wäre nichts gewesen. Hat sich an den Tresen gesetzt und angefangen zu reden.«
»Mit Ibolya?«
»Mit der ganzen Kneipe. Irgendwelcher Quatsch über Gratisenergie.«
»War er betrunken?«
»Wer weiß? Ich hab nur gehört, dass Ibolya sich auf ihn gestürzt und gesagt hat, kein Mann hätte sie je in so eine Lage gebracht und dann auch noch darüber geredet. Hat ihm gesagt, sie sei so wütend auf ihn, dass sie ihn nie mehr sehen wolle.«
»Kann nicht behaupten, dass sie mir besonders leidtut. Ibolya hat es seit Jahren drauf angelegt. Die vielen Männer, die die gestohlen hat.«
»Stimmt ganz genau.«
»Doch zum Schluss, hat mein Mann erzählt, zum Schluss hat sie praktisch auf seinem Schoß gesessen und geheult. Hat gebettelt, dass er nicht mehr zu Valeria geht, und gesagt, dass sie ihn heiraten will.«
»Ibolya? Nie im Leben.«
»Mein Mann hat’s mir so erzählt.«
»Ibolya will den Töpfer heiraten? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Und die hier hat ihn jetzt Witterung aufnehmen lassen«, sagte eine Frau und deutete auf Valeria.
»Was für ein Skandal.«
Die andere Frau nickte.
»Und das in ihrem Alter!«, sagten sie lachend.
»Betrachtet es mal von der heiteren Seite«, sagte eine. »Das heißt nämlich, es gibt Hoffnung für uns alle!«
Die Frauen kicherten. Valeria schlenderte zwischen ihren Ständen entlang.
»Guten Morgen, Valeria«, rief eine Frau. »Möchtest du heute von meinem Obst probieren? Wie wär’s mit Kaffee?Weißt du, ich verkauf jetzt Kaffee – aus Costa Rica, das ist in der Nähe
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