Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
hängte ein. Ihr Verhalten war völlig verändert. Sie war kühl.
»Ich wollte mich bei dir entschuldigen«, sagte er.
Sie war bereits aufgestanden und auf dem Weg in die Kü che .
»Ich werde mit einem Bus abgeholt. Ich habe einen Anwalt kontaktiert. Ich lasse mich von dir scheiden.«
»Aber ich will mich doch bei dir entschuldigen. Ich wolltedir sagen, dass ich den Bahnhof nach dir benenne. Es wird dein Bahnhof. Du bist wie ein Sonnenstrahl in diesem Städtchen. Verzeih mir bitte.«
Klara lachte spöttisch und machte die Schranktür auf.
»Behalt deinen Bahnhof. Du hast mich blamiert. Wenn diese Bauern mich sehen, werden sie immer daran denken, dass du lieber zu dieser Kuh gegangen bist. Du hast mich beschämt, und zwar total. Ich verzeih dir nicht. Mein Bus kommt morgen. Dann bin ich weg und du kannst schlafen, mit wem du willst. Das werd ich auch tun, es muss allerdings ein Minister sein.«
Der Bürgermeister schüttelte den Kopf.
»Und das war’s? Wie kannst du so Hals über Kopf fortgehen?«
Sie schrie und fiel über ihn her. Er wich bis zur Tür zurück. Sie machte sie auf und stieß ihn hinaus.
»Jawohl, so ist’s recht«, sagte sie. »Das ist für uns beide das Beste.«
Sie knipste das Licht aus.
***
Die Katastrophen waren das eine. Zweifellos bewirkten die Katastrophen, dass die Männer tranken und Ibolya an ihnen verdiente – das würde sie nie bestreiten. Doch lange Beine waren ebenso lukrativ. Zsofi hatte lange Beine. Dass sie Zsofi in ihrer Kneipe angestellt hatte, war eine der schlauesten Investitionen ihres Lebens. Zsofi war fesch. Sie hatte locker gewelltes hellblondes Haar, das ihr über die Schultern fiel und ihr markantes Gesicht einrahmte. Sobald sie ihr neue Kleider gekauft hatte – die gleichen, die sie selbst trug –, hatten die Männer aus dem Dorf keine Chance mehr. In Ibolyas Kneipe gab es jetzt für jede Generation eine Frau. Die jüngere kurbelte das Geschäft an. Die jungen Männer setzten sich jetzt an den Tresen und blieben dort, statt nurauf ein, zwei Bier hereinzuschauen und wieder zu gehen. Ibolya wusste, wie der Hase lief. Sie war nicht beleidigt, dass sie nicht an ihr interessiert waren. Dass diese breitbrüs tigen , strammen Burschen sie überhaupt nicht beachteten, so als wäre sie ihre Tante, störte sie nicht. All das war ihr egal, solange die jungen Männer dasaßen und immer weitertranken. Genau genommen bediente sie sie gar nicht mehr und bestand darauf, dass Zsofi das übernahm. Sie erlaubte dem Mädchen sogar, alles Trinkgeld zu behalten.
»Ich mache genug Umsatz, Schätzchen. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Versprich mir nur, dass du das Geld nicht verschwendest und dir nur die Kleider und Schminksachen kaufst, die du wirklich brauchst. Heb es an einem sicheren Ort auf, so wie ich.«
Zsofi bedankte sich bei ihr und steckte das Geld in ihre Schürze. Sie lächelte. Sie lächelte immer. Sie hatte eine indifferente Freundlichkeit: Sie lächelte gerade so viel, wie für ihre Arbeit nötig war, und konnte freundlich sein, ohne gleich zu flirten. Sie war wie jedermanns attraktive kleine Schwester, und bis auf den Bürgermeister behandelten die meisten Männer sie mit Respekt, wenn sie von ihr bedient wurden. Reden mochten sie nur, wenn sie außer Hörweite war.
Doch Ibolya wusste instinktiv, dass mehr in dem jungen Mädchen steckte. Sie wusste, dass ihr Lächeln und die Art, wie sie den Kopf zurückwarf, noch etwas anderes bedeuteten. Man sah es an ihren Augen. Zuerst dachte Ibolya, es sei Nervosität, weil sie gerade erst angefangen hatte und ein so gewagtes Kleid tragen musste. Dann begriff Ibolya, dass das Mädchen sich nur verlassen fühlte. Immer wenn ein junger Mann durch das gähnende Loch in der Wand trat, blickte Zsofi auf, als würde sie jemanden erwarten. Für den Bruchteil einer Sekunde erhellte sich ihr Gesicht, aus dem gleichzeitig Liebe und Trotz sprachen. Wenn siedann sah, dass derjenige, der hereinkam, nicht der war, den sie erwartet hatte, war sie sichtlich enttäuscht. Sie war dann immer noch schön, doch liefen leichte Schatten über ihre Gesichtszüge. Nur Ibolya sah dies, die Männer merkten es nicht.
Ibolya wusste, dass die junge Frau den Töpferlehrling mochte. Sie schüttelte den Kopf. Diese verdammten Töpfer, dachte sie sich. Was war nur Besonderes an ihnen? Waren es ihre Hände? Die Tatsache, dass sie sich nicht schämten, ihre Finger zu benutzen?
»Du hoffst doch, dass der Töpferlehrling gleich zur Tür
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