Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
Ihr Schlüsselbund klimperte währenddessen.
»Ich glaube, Sie werden jetzt verhaftet«, flüsterte der Gehilfe.
»Psst«, antwortete der Töpfer. Dann stand er auf, um ihr zu helfen, aber sie winkte mit ihrer einen, freien Hand ab.
»Arbeiten Sie ruhig weiter«, befahl sie.
Er nickte und rührte sich nicht. Der junge Lehrling jedoch zog seinen Kittel aus.
»Warum schicken Sie sie nicht weg?«, sagte er.
»Wieso?«, fragte der Töpfer. »Sie hat uns gerade Milch für einen ganzen Monat gebracht. Das heißt doch, dass sie in Ordnung ist, oder?«
»Sind Sie verrückt? Sie ist eine alte Hexe. Wenn Sie die Milch in einem Monat aufbrauchen wollen, müssen Sie dreimal am Tag Milch trinken. Sie verdirbt innerhalb von zwei Wochen.«
»Ach was. So schlimm ist sie nicht. Sie sieht nur einsam aus. Außerdem mag sie mich, glaube ich. Findest du nicht, dass sie ein interessantes Gesicht hat?«
Der Lehrling schüttelte den Kopf. »Vielleicht sind Sie verrückt«, spottete er, ging aus der Werkstatt und ließ den Töpfer an seiner Scheibe zurück. »Ibolya wäscht Ihnen den Kopf, wenn sie davon erfährt. Und vielleicht geschieht Ihnen das recht. Das Alter macht Sie gierig. Ich geh jetzt einen trinken. Soll ich irgendwas ausrichten?«
Als der Töpfer den Namen seiner Freundin hörte, schnitt er eine Grimasse. »Sag ihr, ich sei beschäftigt. Ich komme später bei ihr vorbei.«
***
Das Erste, was Valeria auffiel, als sie in die Werkstatt des Töpfers kam, war, dass es keinerlei Schlösser gab. Nur die Eingangstür, die jetzt offen war, konnte man abschließen. Warum machte jemand Teller und Teekannen und schloss sie dann nicht ein? Sie fand das etwas irritierend. Vielleicht war dieser Mann doch nicht für sie gemacht. Er fertigte all diese kostbaren Dinge an und dann konnte jeder den ganzen Tag nach Herzenslust hereinspazieren und mitnehmen, was er wollte? Er war ein wenig leichtsinnig. Vielleicht würde er auf sie hören, wenn sie es ihm erklärte, dachte sie.Valeria genoss, dass sie sich nie den Kopf zerbrechen musste, wo irgendetwas war. In ihrem Häuschen war alles, was sie besaß, an seinem Ort, und sie musste nie etwas suchen. Das Einzige, was sie im Auge behalten musste, war ihr Schlüsselbund, und den konnte sie kaum verlegen.
Valeria hatte einen Schlüssel für den Hühnerstall, den sie nachts abschloss, einen Schlüssel für das Vorhängeschloss der Kette für die Ziege, einen Schlüssel für die Haustür und einen für die hintere Tür. Sie hatte einen Schlüssel für das Eingangstor, einen für das Seitentor, für die Fenster, den Holzschuppen und den Schweinestall. Sie hatte sogar Schlüssel für die Küchenschränke, obwohl sie manchmal zu faul war und den Kühlschrank abzuschließen vergaß.
***
Die Küche des Töpfers war schmutzig. Sie seufzte. Die Wand hinter dem Herd war schwarz vor Fett. Auf einem Tischchen neben dem Kühlschrank, der ihr nur bis zur Taille reichte, befanden sich die Überreste eines kärglichen Mals, das schon länger zurücklag – eine Scheibe verschimmelter Käse, ein Schnitz wächserner Paprika und ein halb aufgegessenes Brötchen. Der Tisch stand unter einem Fenster und auf dem Fensterbrett standen zwei Gläser und eine Plastikflasche selbstgebrannter Brandy. Valeria wunderte sich über die zwei Gläser, aber der Geruch des Alkohols vertrieb diesen Gedanken. Sie schüttelte den Kopf über das, was sie sah. Valeria trank nur Sherry. Im Winter wärmte er einen genauso gut und schürfte einem die Kehle nicht auf. Eine halbvolle Brandyflasche konnte nur bedeuten, dass der Töpfer ein Säufer war.
Sie stellte den Milchkanister neben den Kühlschrank und kramte die unverschlossenen Schränke des Töpfers durch, bis sie einen alten Farbeimer fand. Sie fragte sich, was ein alter Farbeimer im Küchenschrank verloren hatte, dochdann beschloss sie, am besten nicht darüber nachzudenken. Sie benutzte ihn für die Abfälle. Sie räumte das Tischchen ab, leerte den Brandy aus und spülte dann das Geschirr. Zum Schluss schrubbte sie die schmierigen Böden und Wände, putzte das Fenster und polierte das Silber.
Der Töpfer, der an seiner Töpferscheibe saß, hörte die Geräusche in der Küche, scheute sich aber, nachzusehen, was Valeria machte. Stattdessen räumte er alles weg, woran er gearbeitet hatte, legte neuen Ton auf die Scheibe und setzte sie in Bewegung. Eineinhalb Stunden später kam Valeria endlich zu ihm in die Werkstatt. Sie wischte sich die Hände an einem Unterhemd ab,
Weitere Kostenlose Bücher