Valeron der Barbar
Satingewand mit Perlenverzierung und Brokatbesatz ab. Von den schmalen Schultern wallte der kaiserlich seegrüne Umhang über den Rücken.
Als er diese majestätische Gestalt, die wahre Tochter eines Kaisers und der Zivilisation sah, überwältigten ihn die Gedanken:
Ich bin Valeron, der Mächtige, barbarischer Krieger. Meinen schwarzen Thron gewann ich durch mein blutiges Schwert und meine Muskelkraft. Ich bin ein Herrscher. Kriegslord nennt man mich, denn jene, über die ich herrsche, sind kriegerisch. Wir erkämpften uns unseren Platz, indem wir, durch ein Meer von Blut watend und unseren Weg durch ein Sargossa von Leichen bahnend, die Sungoli schlugen. Kriegslord! Ein barbarischer Titel für den barbarischen Herrscher einer barbarischen Welt!
Er starrte Aleysha unverhohlen an. Ein breiter juwelenbesetzter Silberlamégürtel umgab die schmale Taille. Eine glitzernde Spitze reichte bis zwischen die kleinen Brüste, und eine zweite, ihr gegenüberliegende, über den flachen Bauch, der sich zu sanft geschwungenen Hüften weitete.
Mein Lord Barbar hatte Darcus Cannu mich genannt!
Ihr Gesicht wirkte gelöst. Um ihren Hals hing die kaiserliche Kette, die nach der Tradition wichtiger war als Zepter oder Krone. Sie war aus schmalen Goldgliedern zusammengesetzt und hielt eine riesige weiße Perle, die in dem sanften Tal zwischen den Brüsten unter dem Kragen und über der Spitze des Gürtels auf dem milchweißen Satin des Gewands ruhte. Von der Perle gingen speichenartig sechs Goldkettchen aus, mit je einer kleineren Perle an ihren Enden, und diese Perlen wiederum waren untereinander durch Goldkettchen vereint: Carmeis in der Mitte, die sechs Welten untrennbar miteinander verbunden, und jede Welt mit dem Kaiserplaneten, der Nabe.
»Meine – Lady.«
Ja, eine Lady war sie, diese überirdische Vision von juwelen-, satin- und brokatumschmeichelter Lieblichkeit, diese grazile schlanke Gestalt mit den schmalen Hüften und den zierlichen Brüsten, diese junge Frau, die zwischen Seide, Samt, kostbaren Steinen und Metallen und livrierten gehorsamen Dienern in diesem ehrfurchterregend großen Palast aufgewachsen war. Nein, das war nicht mehr die kleine Leysha.
Sie war Aleysha, die erste Kaiserin der Sieben Welten von Carmeis.
Bei seinen Worten hoben die fein geschwungenen Brauen sich höher über die durch grünen Lidschatten noch größer wirkenden dunklen Augen. »Das letzte Mal nanntet Ihr mich ›kleine Leysha‹ und zogt mich an den Zöpfen«, erinnerte sie ihn, und die lila umrandeten Lippen verzogen sich zu einem feinen Lächeln.
Ich bin schmutzig, dachte er, schmutzig und bartstoppelig, nachdem ich direkt aus einem Verlies und nach zwei Kämpfen um Leben und Tod hierherkam. Meine Hände müssen noch nach Shanarus Blut riechen. Er musste sich zwingen, sie nicht zur Nase zu heben, um sich zu vergewissern.
Plötzlich spürte er die Kluft zwischen ihm und dieser herrlichen Frau. Das machte ihn verlegen und wortkarg. Zum ersten Mal, vielleicht, in seinem Leben gab Valeron sich selbst gegenüber den Unterschied zwischen ihm und seinem Volk und anderen zu, die in der Zivilisation geboren und mit ihr groß geworden waren. Auf dieser Welt und in der Gegenwart dieser gepflegten zarten Frau fühlte Valeron car Nadh der Mächtige sich unsicher.
»Das letzte Mal – vor sechs Jahren – wart Ihr auch noch nicht – Kaiserin.«
»Auch nicht Frau. Doch – vergangene Nacht, in der Dunkelheit, habt Ihr mich als Frau behandelt und …«
Sie zögerte, und es wurde ihm bewusst, dass diese neue Herrscherin sich zwingen musste, seinem Blick nicht auszuweichen. Sie ist noch viel unsicherer als ich, dachte er. Und genauso verlegen und weiß nicht, was sie sagen soll. Es fiel ihr sichtlich schwer fortzufahren:
»… versprochen, nein, gesagt: ›bis zu einer besseren Gelegenheit.‹«
Sie ist bleich, dachte er. Bleich und schön wie die Marmorgesichter der Karyatiden im Thronsaal. »Ich …«
»Noch mehr Worte? Ich dachte, mein Lord Valeron, Ihr seid ein Mann der Tat.«
Es waren auch keine Worte mehr nötig. Der schneeweiße Satin schmiegte sich an seine Brust. Ihre Lippen waren kühl und sehr sanft und sehr nachgiebig, als er Aleysha an sich drückte und ihre Lippen mit seinen umschloss. Ihre Hände legten sich weich auf seine muskelharten Schultern. Er kostete Salz und ihm wurde bewusst, dass es eine Träne war. Schwerer atmend milderte er den Druck seiner Arme um die zerbrechliche Gestalt.
»O Valeron«, seufzte sie
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