Valeron der Barbar
Aleysha, nämlich dieser Valeron, König, genannt Kriegslord, von Branarius. Er hat soeben mein Leben vor Verrätern gerettet, die mit Dolchen bewaffnet waren und behaupteten, die Abgesandten der Kaiserin zu sein. Das sind sie nicht, genauso wenig wie es jene sind, die erst kürzlich von Carmeis auf Euren Hof kamen. Hütet Euch vor ihnen! Sie stehen im Sold des Mannes, der Kaiser Velquen gemordet hat. Beherzigt meinen Rat, sie sofort in den Kerker zu werfen, niemanden davon zu unterrichten, keine Schiffe nach Carmeis auslaufen zu lassen, und Euch möglichst umgehend hierher zu begeben. Der Rat der Könige muss sofort handeln. Ihre Hoheit, die Kaiserin, befindet sich, nach ihren eigenen Worten, in ernster Gefahr. Die Geier kreisen tief.‹ Ende. Unterzeichnet es nur mit ›Lexton‹ , und beeilt Euch! Hört Ihr?«
Der König von Maruthia wartete, bis der Schreiber die Ratskammer verlassen hatte, dann wandte er sich wieder an Valeron. Der letzte Satz ist unser Kode für äußerste Dringlichkeit. Noch nie habe ich ihn bisher benutzt.«
15
Barbar und König
Jheru blickte hinunter auf die vornehme Versammlung.
Lexton ni Nadh sah sie, den hochgewachsenen hageren und weißhaarigen König von Maruthia, der ersten Welt, die sich Carmeis nach der finsteren, dem Grimm folgenden Zeit angeschlossen hatte. Lange schon war er der Vorsitzende des Rates der Könige. Nicht die Kleidung eines Monarchen trug er, sondern die des maruthischen Kriegers: rostbraune Handschuhe, einen rostbraunen Umhang über einem staubfarbenen Wams, und Ledergamaschen, die wie Bronze glänzten. Um die Mitte hatte der König sich einen Schwertgürtel geschnallt, von dem jedoch keine Scheide hing, da bei einer solchen Zusammenkunft keine Waffen getragen wurden.
Der zweite war Vidul car Abar, der schwarzbärtige, scharfäugige ehemalige General, der erst vor zwei Jahren den despotischen Hajaar ni Nymsha abgesetzt hatte und jetzt Herrscher von Lavian war, wo es nie wirklich zur Ruhe kam. Man hatte ihn vor kurzem offiziell als Mitglied des Rates der Könige anerkannt – von dem er sich durch seine dunkle Kleidung abhob: Wams und Umhang waren genauso schwarz wie die hochschäftigen Stiefel. Seine Hände waren nicht bekleidet – ihnen fehlten drei Finger.
Als dritten musterte Jheru Narran ol-Shalkh Premn IV., der nach dem Tod seines Vaters sein Nichtstuerleben auf Carmeis aufgegeben hatte und heimgekehrt war, um den ererbten Thron zu übernehmen. Er erwies sich bald – zur allgemeinen Überraschung – als fähiger Staatsmann und als religiöser Fanatiker. Er, der König von Ghulan, trug als einziger eine Pluderhose unter der knielangen scharlachfarbigen Tunika.
Jherus Blick blieb ein wenig länger auf Eshara II. mit ihrem kurzen Haar, dem enggeschnürten Mieder und der übertriebenen Benutzung von Kosmetika hängen. Sie war König von Sid-Alors. Solange das Reich bestand hatte es immer fünf Könige gegeben. Einen Titel wie »Königin« gab es nicht für einen Monarchen, und deshalb wurde Eshara II. genau wie Eshara I. vor ihr »König« genannt. Über ein gold- und rotbesticktes weißes Gewand hatte sie einen korallenfarbenen Spitzenschal geschlungen. Die feinen, ungemein kompliziert gearbeiteten Klöppelspitzenerzeugnisse waren der einträglichste Ausfuhrartikel Sid-Alors.
Der fünfte anwesende König war der neueste Herrscher: der wachsame hundertneunzig Zentimeter große Kriegslord von Branarius, der jüngsten vertretenen Welt. Ihm hatten die anderen seit zwei Stunden bereits ihr Ohr geliehen. Stämmig, die mächtige Brust geschwellt unter der Kettenrüstung, die er angelegt hatte, um daran zu erinnern, dass das Reich sich im Kriegszustand befand. Um die Handgelenke trug er die breiten schwarzen Ledermanschetten des Kriegers. Sie schimmerten, während er sprach, denn auf branarische Weise benutzte er dazu auch viel die Hände.
Nur Nyor war nicht vertreten. Jallad car Ahmir, der neunzehnjährige »Knabenkönig« (das war er seit seinem zwölften Lebensjahr – und die ganze Zeit hatte er weise ohne Regent geherrscht) des grünen fruchtbaren Nyors, ein eifriger Wissenssucher, hielt sich zur Zeit auf Carmeis auf. Eine Tatsache, die ein wenig Anlass zur Nervosität gab.
Hinter der Brüstung des hohen Treppenaufgangs verborgen, blickte Jheru hinunter auf diese Versammlung der Mächtigen um Lextons Ratstisch. Könige waren sie allesamt, Herrscher über Welten, nicht Stämme oder Städte, und nicht alle grauhaarig, wenn auch nicht so jung wie der
Weitere Kostenlose Bücher