Valeron der Barbar
genauso wenig wie sie ihn, und die alle, mit Ausnahme von Vidul, zu Krone und Zepter geboren waren. Und selbst Vidul, der unter dem von ihm gestürzten König General gewesen war, war daran gewissermaßen gewöhnt gewesen, sich in der Gesellschaft der Oberen zu bewegen.
Jetzt wusste Jheru, dass Valeron und Saldon genau das geplant hatten.
Führer – Vorsitzender – Wortsprecher des Rates der Könige! Die Melodramatik, die Saldon in diese Rede gelegt hatte, hatte, unterstützt von Valerons persönlicher Ausstrahlung, ihren Zweck nicht verfehlt. Und der junge neue Herrscher war von seinen eigenen Emotionen davongetragen worden, so dass er von der Rede abwich, ja sie teilweise vergaß, und seine Worte tief aus seinem Kriegerherzen gekommen waren.
Plötzlich empfand Jheru Trauer. Er kann haben wen und was er will, dachte sie. Er wird sich mit Aleysha vermählen. Er wird Kaiser sein. Er wäre ein Narr, täte er es nicht – genau wie die anderen dort unten Narren wären, drängten sie ihm nicht das Kaiserzepter, den Thron und das Seegrün des Kaiserhauses auf.
»Ich fühle mich geehrt«, versicherte er ihnen gerade wie ein Höfling und doch mit einer Einfachheit, die zum Teil daher kam, dass ihm keine besseren Worte einfielen, zum anderen aus einer plötzlichen Verlegenheit, nachdem seine Erregung sich gelegt hatte, und zum Hauptteil von der Verachtung des Barbaren für zu viele hübsche Worte. »Voll Stolz nehme ich Euer Angebot an. Lasst uns wieder hinsetzen und planen! Wir haben wenig Zeit.«
Als sie alle wieder Platz nahmen, warf er einen Blick die Treppe hoch, wo Jheru sich ihm kurz zeigte. Er lächelte ihr strahlend zu. Vor Glück wurde ihr schier schwindelig. Doch schon waren seine Augen aufs neue den Versammelten zugewandt und sie blitzten.
»Darcus Cannu hat uns selbst die Mittel in die Hand gelegt, uns seiner ohne Krieg zu bemächtigen«, sagte er. Vidul widmete ihm einen seltsamen Blick. »Er schickte Abgesandte zu jeder unserer Welten. Wir haben ihre Schiffe: fünf Fähren mit dem kaiserlichen Wappen. Sie werden uns nach Carmeis bringen und, ohne dass man ihnen unnötige Aufmerksamkeit zollt, landen. Die Carmeianer auf dem Raumhafen wissen, für wen sie abgeordnet worden waren, und erwarten, dass die Gesandten an Bord sind. Wir werden sie mit unseren Kriegern beladen – und jedem Schiff wird ein zweites dichtauf folgen, bis wir alle mit unseren Streitkräften auf Carmeis angekommen sind – ohne, dass der Palast unterrichtet wurde.«
Drei Könige, eine König genannte Königin, und eine Sklavin lauschten aufmerksam, während ein Meisterstratege seinen Plan erörterte. Hin und wieder nickte einer, oder ein anderer stellte eine Frage. Vidul, der sich die Krone durch blutige, sorgsam geplante Gewaltmaßnahmen erobert hatte, blickte den Branarier an. Die schwarzen Laviaugen verrieten den Respekt eines guten Taktikers für den anderen. Eshara tauschte mit zufriedenem Lächeln einen Blick mit Lexton. Narran starrte den Barbaren mit offener Bewunderung an.
Jherus Augen wichen keinen Herzschlag lang von Valeron. Sie beobachtete die flinken Bewegungen seiner kräftigen Hände, die deutenden Finger, die mächtige Faust, die sich ballte, wenn er etwas betonte, die Rechte, wenn sie ungeduldig die in die Stirn hängende Mähne zurückstrich.
Als er geendet hatte, erhoben sich alle, um ihm zuzuprosten und auf ihren Erfolg anzustoßen. Er aber wehrte ihr Lob ab und forderte sie zu einem Toast auf die Kaiserin auf. Jheru erhob sich und huschte davon.
Als er das Gemach betrat, stellte er fest, dass sie im Dunkeln auf ihn wartete. »Wo ist Saldon?« fragte er.
»Er schläft, mein Lord.«
»Beim Teufel! Er war sich des Ausgangs wohl sehr sicher! Und weshalb schläfst du noch nicht?«
»Ich wollte mir nichts entgehen lassen, Lord König.«
Er grinste. Es war ein jungenhaftes Grinsen, nachdem die Anspannung sich gelegt hatte. Er erstaunte sie durch seine Frage: »Wie war ich?«
»Wundervoll, mein Lord.«
»Wird Zeit, dass du endlich aufhörst, mich ständig Lord zu nennen, Jheru. Ich sagte doch, dass du frei bist – und ich meinte es so! Ich hatte es schon beschlossen, ehe Lexton davon sprach. Wenn wir die Sache überstanden haben, gebe ich es offiziell bekannt, falls es erforderlich ist. Auf Branarius und Carmeis.«
»Ihr würdet es wagen, eine Sklavin der Kaiserin freizugeben?«
Ohne Zögern antwortete er: »Das würde ich – und ich werde es!«
Ehe er dazu kam, mehr zu sagen oder etwas zu tun,
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