Valeron der Barbar
Mission war. Dann erst fiel ihm auf, dass ihre Augen rot von heimlich vergossenen Tränen waren und sie in seiner Gegenwart – die sie mied, wenn es sich machen ließ – erstaunlich schweigsam war. In jener Nacht im taglosen Weltall hatte er lange wachgelegen und über die Zukunft nachgedacht.
Jheru liebte ihn, hatte Saldon gesagt. Liebe? wunderte sich Valeron. War es nicht Verlangen? Sie ist eine Sklavin, erinnerte er sich, und eine gefährliche Kämpferin. Die Frage ist: Was will ich?
Er erinnerte sich an Velquens Brief, erinnerte sich an eine schöne junge Frau von Jherus Alter und doch jünger, mit einer siebenzackigen Krone auf dem Haupt und dem Reichsanhänger zwischen den kleinen Brüsten, die in seinen Pranken fast verloren gewirkt hatten. Ihr Vater hat mich erwählt, dachte er. Auch ihre Wahl fiel auf mich. Ich war ihr erster Mann.
Er dachte an den langen, langen Thronsaal mit der Doppelreihe stummer Marmorfrauen und an den riesigen Thron aus unbezahlbarem Plast.
Der Kaiserthron. Der Thron des Mannes, der Aleyshas Gemahl werden würde, denn immer noch war in dieser jungen Kultur der Mann vorrangig. Der Mann, der auf diesem höchsten Thron saß, würde die Kinder zeugen, die nach ihm zu herrschen bestimmt waren. Das wäre ein hoher Aufstieg für einen verwaisten Barbaren, den Wilde aufgezogen hatten.
»In ein paar Tagen«, hatte Saldon gesagt, »vorausgesetzt, dass uns der Sieg winkt, wird Aleyshas Hand und der Kaiserthron Euer sein, wenn das Euer Wunsch ist.«
Und Branarius? Wer wird Branarius zu einer ernstzunehmenden Macht formen, wenn ich auf Carmeis bin?
Wer? Saldon? Dernon car Kend, der jetzt in seiner Abwesenheit die Regentschaft übernommen hatte? Burgon? Und würde Aleyshas Gemahl wirklich Kaiser sein? Würde er herrschen? Oder wäre er nur Prinzgemahl? Ein Krieger, ständig umringt von klugen, hochgebildeten Höflingen, der ständig auf das Protokoll achten und sich mit der Verwaltung beschäftigen und Listen für den nächsten Empfang aufstellen musste?
Ganz abgesehen davon – und zwar hatten sowohl Jheru als auch Saldon auf unterschiedliche Weise diese Frage in Erwägung gebracht –, würden die Könige diese Vereinigung zulassen? Oder fürchteten sie ihn zu sehr und sahen ihn lieber fern auf seinem Branarius, sobald er diese Mission hier erfolgreich zu Ende gebracht hatte und nicht mehr gebraucht wurde?
»Die stärkste Hand des Reiches«, hatte Vidul, mit den Augen fest auf Valeron gerichtet, ruhig gesagt, »sollte das Zepter schwingen und die Macht über das Reich ausüben.«
»Und – wird er, dem diese Hand gehört, eines Tages Vidul mit Schild und Schwert gegenüberstehen müssen?«
»Ihr nehmt an, ich meinte Euch?«
Valeron hatte genickt. »So verstand ich es, mein Lord König Vidul.«
»Es könnte sein – ich denke, es wäre nicht ausgeschlossen –, dass jemand Euch das Recht auf den Thron streitig macht.«
Valeron hatte geseufzt. »Und dadurch die Uneinigkeit im Reich herbeiführt? Nur wir zwei von den Königen sind Krieger, Vidul. Nur wir zwei haben unsere Königreiche selbst erobert und uns die Krone eigenhändig aufgesetzt. Wir zwei haben viel zu tun, jeder auf seiner eigenen Welt. Müssen wir da einen anderen Thron streitig machen und dadurch alle Throne der sieben Welten erschüttern?«
»Von müssen kann keine Rede sein, Valeron von Branarius. Aber – wer weiß?«
Jheru hatte es gehört, das wusste Valeron. Und Jheru hatte auch Saldons Worte gehört. Und Jheru hatte ebenso gehört, wie Lexton zu Eshara sagte, es sei gut für das Reich, dass Velquens Wahl für den Gemahl seiner Tochter mit ihrer eigenen übereinstimmte und dass dieser Mann seit Generationen der Stärkste auf dem Kaiserthron sein würde. Genauso hatte Jheru gehört, wie Eshara eine Frage gestellt hatte, die nicht wirklich eine war. »Nicht vielleicht zu stark?« hatte sie gesagt. Und Jheru hatte Valeron diese Worte nicht verheimlicht.
So viele Facetten hatte dieser Juwel, der das Reich war, und das damit verbundene Problem. So viele!
Was will ich selbst? fragte er sich.
Aleysha als Frau würde ihm nicht genügen. Das hatte ihm ihr flüchtiges Beisammensein in ihrem weichen Bett mit Sicherheit verraten. Nun, ein Kaiser hatte seine Privilegien – wie jeder Herrscher und jeder Mann, der stärker als seine Frau war. Aber – wollte er denn diesen größten aller Throne überhaupt?
Wie könnte er ihn nicht wollen? Er, der Sohn eines gefallenen Kriegers und einer ermordeten Mutter; der
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